DE | EN

Brief von Karl August Varnhagen von Ense an Helmina von Chézy

Berlin, 1. Juni 1855
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 47 Chézy Helmina von, Bl. 745-746 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Karl August Varnhagen von Ense
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
1. Juni 1855
Absendeort
Berlin
Empfangsort
Genf
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 135 mm; Höhe: 210 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Jadwiga Kita-Huber Kita-Huber; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „745r“

745

[Karl August Varnhagen]An Helmina von Chézy.
Berlin, den 1. Juni 1855.
Hochverehrte Freundin!

Die gegenwärtigen Verhältnisse unsres Buchhandels
sind so schlecht, die Aussichten in die nächste Zukunft bei
der Fortdauer des unseligen Krieges so düster und ab-
schreckend, daß ich es als ein Wunder ansehe, Ihnen hin-
sichtlich Ihres neuesten Werkes eine gute Nachricht mittheilen
zu können. Hr Dr. Parthey erinnert sich noch sehr wohl
der vor etwa fünfzehn Jahren schwebenden Unterhandlungen,
und obschon der Gegenstand seitdem sich wesentlich verändert
hat, – damals war von einem Bändchen, jetzt ist von zwei star-
ken Bänden die Rede, – und auch die Zeitläufte höchst un-
günstig sind, so ist er doch gern erbötig, die Sache wieder auf-
zunehmen, und, falls Sie mit ihm einig werden, Ihre Denk-
würdigkeiten
zu verlegen. Schreiben Sie ihm daher sogleich
Ihre Bedingungen, die natürlich keine hochgespannten sein
dürfen, und senden Sie ihm das vollständige Manuskript, ohne
dessen Einsicht und Überblick er keine entscheidende Entschließung
fassen kann. Ich vermag Ihnen gar nicht auszudrücken, wie
sehr ich mich dieser unerwarteten Bereitwilligkeit freue, sie
mußte mich um so mehr überraschen, als ich seit Jahren auf
diesem Gebiete fast nur das Gegentheil erfahren habe! In
Betreff des alten ehrenwerthen Rufes der Verlagshandlung
und der Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Besitzers der-
selben könnte Ihnen kaum Wünschenwertheres begegnet sein.
Möge die Sache den besten Fortgang haben und ganz zu Ihrer
Zufriedenheit ausfallen. – 
Von der Schilderung des Schwarzenbergischen Festes
kann

ich keinen einzelnen Abdruck mehr auftreiben, und auch besitz’ ich

Seite „745v“

von den sieben Bänden meiner Denkwürdigkeiten und
vermischten Schriften
, in denen der Aufsatz wieder abge-
druckt worden, kein Exemplar, das ich Ihnen schicken könnte,
abgesehen von der Schwierigkeit, Bücher von hier nach der
Schweiz zu befördern; frühere Sendungen, die ich gemacht,
sind entweder gar nicht, oder so verspätet angekommen, daß
die Lust zu weiteren vergehen mußte. Was Hr von Pilat
Ihnen über mein Verhalten bei jener Katastrophe erzählt hat,
ist insofern richtig, als ich in der That große Hülfsanstrengungen
gemacht, doch ohne mich grade für den Retter irgend bestimmter
Personen erklären zu können; der Kaiser Napoleon traf
mich bei seinem Wiedererscheinen auf der Brandstätte in
einem solchen Zustande, daß er ausdrücklich fragen ließ, wer
ich sei? Daraus macht’ ich mir damals aber gar nichts! – 
Von Arnim’s Gedichten
wird der erste Band nächstens im

Drucke fertig sein; aber noch nicht ausgegeben werden; Frau
von Arnim
wird noch am Rhein bleiben,
und erst zum Herbst,
wenn ihre sehr erschütterte Gesundheit durch Bäder neubefestigt
worden, nach Berlin zurückkehren. – 
Ich hoffe, daß Ihrem mannigfachen Leiden, Verehrteste,
der Frühling, der bei Ihnen schon früher eingetreten sein
muß, eine glückliche Wendung gebracht hat; hier haben
wir erst mit den Pfingsttagen einige Frühlingsluft ge-
nossen, die auch mir sehr heilsam gewesen ist, leider aber
schon wieder zu schwinden droht. Seit fünf Monaten hatte
ich bisher mit allen möglichen rheumatischen Übeln zu
kämpfen. In meinen Jahren wird man solch unwillkommne
Gäste, wenn sie sich einmal eingenistet, nie wieder ganz los. – 
Für heute nicht mehr! Ich bin gedrängt und beeilt von
allerlei Tagesbürden. Mögen diese Zeilen Sie in gutem
Befinden und heitrer Stimmung finden! Leben Sie wohl!
Mit besten Wünschen in unwandelbarer Gesinnung Ihr
ganz ergebenster Varnhagen von Ense.

Seite „746r“

746

Addresse des Hrn Dr. Parthey: Nicolaische Buch-
handlung, Brüderstraße, Berlin.

Seite „746v“