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Charlotte von Ahlefeld

Die dem alten thüringischen Adelsgeschlecht von Seebach entstammende Charlotte von Ahlefeld muss große Teile ihres Erwachsenenlebens weit von ihrem Herkunftsort und der Familie führen. Die Eltern – Alexander Christoph August von Seebach (1735–1811), ein hannoverscher Regimentskommandant, und Albertine Wilhelmine, geb. von Ingersleben (1748–1813) – sorgen für ihre den damaligen Zeiten angemessene Mädchenbildung. Sie wird von Hauslehrern unterrichtet, an der Weimarer Zeichenschule wird ihr ermöglicht, sich künstlerisch zu entfalten. Diese Entwicklung wird am Hof der Großherzogin Louise, der Gattin Herzog Karl Augusts, durch gesellige Lebensformen besonders im literarischen Bereich gefördert. Bereits als Zehnjährige verfasst Charlotte ihre ersten Gedichte, die wohl bei dem höfischen Publikum Gefallen finden sollten. 1798 debütiert sie mit dem Roman „Liebe und Trennung oder merkwürdige Geschichte der unglücklichen Liebe zweyer Fürstlichen Personen jetziger Zeit“. Das Jahr bringt ihr aber nicht nur den ersten literarischen Erfolg, sondern auch die Trennung von der ihr vertrauten Welt der Familie und des Weimarer Hofes. Die Ehe mit Johann Rudolph von Ahlefeld (1757–1848), dem wohlhabenden schleswig-holsteinischen Gutsbesitzer von Saxtorf, Sehestedt und Ludwigsburg in Schleswig, bedeutet für sie nicht nur einen Wohnwechsel, sondern auch eine neue, ihr aufgezwungene Lebensweise in einem fremden Milieu, mit einem älteren Ehemann, über dessen Verhalten und die eigene Isolation sie sich in ihren Briefen an die Freundin Sophie Mereau-Brentano beklagt. Aus dieser Ehe stammen drei Söhne: Friedrich (1799–1862), Erich (1800–1853) und Herrmann (1806–1855), die für die Mutter, neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit, der Trost des einsamen Lebens sind. Nach der Scheidung bleibt sie in Schleswig und kehrt erst 1821 nach Weimar zurück.

Die Ehejahre erweisen sich dennoch literarisch fruchtbar: Charlotte von Ahlefeld veröffentlicht seit ihrem Debüt mehr als 30 Prosawerke und mehrere Gedichte, die oft unter den Pseudonymen „Elise Selbig“, „Ernestine“ oder „Natalie“ erscheinen. Viele ihrer Romane, in denen sie Themen wie Familienkonflikte, Liebesprobleme oder die Zerrissenheit des Individuums zwischen Pflicht und Neigung aufgreift, die allerdings in Entsagung mündet, ernten Erfolg. Dazu gehören z.B. „Marie Müller“ (Berlin: Unger 1799), „Die Bekanntschaft auf der Reise“ (Berlin: Unger 1801) oder „Therese. Ein Roman in zwei Theilen“ (Hamburg: Hofmann 1805). Neben der schriftstellerischen Tätigkeit, zu der auch Artikel für zahlreiche Zeitschriften zählen, verleihen ihr die in Weimar geknüpften Bekanntschaften, u.a. mit Sophie Mereau, Clemens Brentano, Christian Friedrich Tieck, Amalie von Voigt, Charlotte von Stein, Bettina von Arnim, Goethe und vielen anderen Kraft und ermöglichen es ihr, Anschluss an das soziale Geschehen zu behalten – die fortgesetzten Korrespondenzen lassen sie auf diese Art und Weise am geselligen Leben weiter teilnehmen. Nach der Rückkehr nach Weimar kann sie sich zwar den alten (und auch neuen) Freunden und Bekannten wieder widmen, doch der Gesundheitszustand hindert sie an unbeschränkter gesellschaftlicher Aktivität. Sie wird zu häufigen Kuraufenthalten und schließlich zum Umzug nach Bad Teplitz gezwungen, wo sie 1849 stirbt. Sie wird in Prag begraben.

Die in der Jagiellonen-Bibliothek verwahrten Briefe von Charlotte von Ahlefeld dokumentieren umfassend ihre Kontakte nur mit zwei Personen – Sophie Mereau-Brentano und Helmina von Chézy. Aus dem dreijährigen Briefwechsel mit der ersten Freundin und dem fast dreißigjährigen mit der zweiten entsteht das Bild einer einsamen Frau, die von Selbstverwirklichung und Glück träumt. Die zahlreichen Überlegungen zum Wesen der Liebe und emotionaler Unabhängigkeit, mit welchen ihre Briefe durchwoben sind, führen fast immer zu Versuchen, das Glück – verstanden als innere Zufriedenheit – zu definieren. In den Briefen aus ihrem letzten Lebensjahrzehnt dominieren Klagen über „phӱsische Schmerzen“, die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und die Notwendigkeit, sich einer Kurbehandlung zu unterziehen, was sie z.B. in ihrem einzigen Brief an Apollonius Maltitz aus dem Jahr 1848 zum Ausdruck bringt.

In sozialgeschichtlicher Hinsicht bilden Ahlefelds Korrespondenzen eine Quelle von Informationen über den Alltag von Frauen in den ersten vier Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, über Kinderbetreuung, häusliche Erziehungsmöglichkeiten oder Lebensgestaltung auf provinziellen Adelsgütern. Gerade für Frauen, die fernab der damaligen kulturellen Zentren lebten, waren die Lektüre, der Kontakt mit Neuerscheinungen oder die Kenntnis des Verlagsmarktes wichtige Formen der Teilhabe am öffentlichen Leben und des ‚geselligen Betragens‘.

Renata Dampc-Jarosz

Literatur

Lorely French:
„Charlotte Elisabeth Sophie Louise Wilhelmine von Ahlefeldt, geb. von Seebach (1777–1849)“. In: FrauenGestalten Weimar-Jena um 1800. Ein bio-bibliographisches Lexikon. Hrsg. von Stefanie Freyer, Katrin Horn und Nicole Grochowina.
Heidelberg 2009, S. 36–41.

Lorely French:
„Briefe von Wilhelmine Geißler, Charlotte von Ahlefeld und Henriette Schubart an Sophie Mereau“. In: Verbindungslinien in Zeit und Raum. Hrsg. von Katharina von Hammerstein und Katrin Horn.
Heidelberg 2008, S. 405–414.

[N. N.:]
„Ahlefeld, Charlotte Elisabeth Sophie Louise Wilhelmine Gräfin von“. In: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1800–1945. Hrsg. von Gisela Brinker-Gabler, Karola Ludwig und Angela Wöffen.
München 1986, S. 11.

James Trainer (Hrsg.):
Liebe und Trennung. Charlotte von Ahlefelds Briefe an Christian Friedrich Tieck.
Bern u. a. 1999.