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Amalia Schoppe

Wenn in den literaturhistorischen Lehrbüchern der Gegenwart Amalia Schoppe erwähnt wird, dann in der Regel nur in Verbindung mit dem jungen Friedrich Hebbel, den sie in den 1830er Jahren materiell unterstützte und dem sie zum literarischen Durchbruch verhalf. Als Autorin wird sie dabei kaum wahrgenommen. Indessen gehört Schoppe zu den produktivsten und bekanntesten Schriftstellerinnen Deutschlands der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Liste ihrer selbständigen literarischen Veröffentlichungen umfasst fast 130 Bände, hinzu kommen Herausgeberschaften von literarischen Zeitschriften sowie unzählige Beiträge in Anthologien, Almanachen und sonstigen zeitgenössischen Periodika. Ihre Texte wurden ins Französische, Englische, Niederländische und ins Tschechische übersetzt. Nach ihrer Auswanderung in die USA und dem dort erfolgten Tod geriet sie mit der Zeit weitgehend in Vergessenheit.

Amalia Schoppe kam am 9. Oktober 1791 in Burg auf der Insel Fehmarn zur Welt. Ihre Eltern waren der Distriktarzt Johann Friedrich Wilhelm Weise (1769–1798) und dessen Frau Angelica Catharina, geb. Hammer, seit 1803 Burmester. Von diesen bekommt Amalia den ersten Unterricht im Lesen und Schreiben. Nach dem frühen Tod des Vaters gelangt sie in das Hamburger Haus ihres Onkels, Pastor Johann Heinrich Hammer, wo ihr eine durch Strenge geprägte Erziehung und Weiterbildung u. a. im Französischen gewährt wird. Aufgrund der Verarmung der Familie im Laufe der Napoleonischen Kriege ist Amalia schon als fünfzehnjähriges Mädchen gezwungen, für ihr Auskommen selbst zu sorgen, und nimmt die Stelle einer Erzieherin im Hause des Hamburger Patriziers Jacob Amsel Oppenheimer an. Im Sommer 1808 lernt sie Rosa Maria Varnhagen, spätere Assing, kennen. Ein Gespräch über Novalis, Schleiermacher, Goethe „und überhaupt die Besseren“ markiert den Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Die junge Varnhagen erkennt in ihrer neuen Freundin ein „tiefes Gemüth und eine schöne, innige Religiosität“ und führt diese, vorwiegend über Briefe, in ihren Freundes- und Bekanntenkreis ein. Neben Karl August Varnhagen von Ense, dem Bruder Rosa Marias, sind es zunächst Adelbert von Chamisso, Friedrich de la Motte Fouqué und Justinus Kerner. Dem letzteren schickt Rosa Maria Varnhagen einige Gedichte ihrer Freundin und vermittelt ihr dadurch das literarische Debüt in dem von Kerner herausgegebenen „Poetischen Almanach für das Jahr 1812“. Ihre Gedichte wird Weise, später Schoppe, in den 1810er Jahren quasi-anonym nur unter der Verwendung ihres Vornamens u. a. im „Morgenblatt für gebildete Stände“, der „Zeitung für die elegante Welt“, dem „Gesellschafter“ und anderen literarischen Zeitschriften veröffentlichen. Seit ca. 1812 ist sie mit dem angehenden Hamburger Juristen Friedrich Heinrich Schuppe, seit 1817 Schoppe (1787–1829), liiert, von dem sie 1813 unehelich den Sohn Carl Adalbert bekommt.

Aus der 1814 geschlossenen und 1821 aufgelösten Ehe gehen zwei weitere Söhne, Carl Julius (1818–1847) und Alphons (1821–1865), hervor. Um für ihre und ihrer Kinder Existenz zu sorgen, führt Schoppe zunächst auf Fehmarn eine Schule für die dort lebenden Kinder. Nach dem Umzug nach Wandsbek bei Hamburg gründet sie mit Fanny Tarnow ein Mädchenpensionat. Mit der neuen Freundin gibt sie auch den Band „Erzählungen und Romane“ (1820) heraus, der auf ein breiteres Echo stößt und Schoppe zum Durchbruch auf dem literarischen Markt verhilft. Das pädagogische Unternehmen scheitert aufgrund diverser Spannungen und Meinungsverschiedenheiten, aus der Bekanntschaft mit Fanny Tarnow ergeben sich jedoch neue Kontakte und Perspektiven. Schoppe fühlt sich vor allem ermutigt, intensiver als Autorin und Herausgeberin aufzutreten. Allmählich wird die literarische Produktion für sie zur Profession und zugleich zur wichtigsten Grundlage der Existenzsicherung. Sie knüpft Kontakte zu angesehenen Autorinnen wie Helmina von Chézy, Therese Huber, Caroline von Wolzogen und später Friederike (Lina) Reinhardt sowie zu den Leipziger Verlegern August Taubert und Carl Focke. Seit den frühen 1820er veröffentlicht sie zunächst unter diversen Pseudonymen, dann immer öfter auch unter ihrem eigentlichen Namen eine erstaunliche Anzahl von Erzählungen, Romanen, Libretti, Schauspieltexten und Adaptationen spanischer, englischer und französischer Literatur, mit denen sie vor allem das jugendliche und weibliche Publikum zu erreichen sucht. Ihre Stoffe schöpft sie aus Geschichte, Biographien, Legenden, Sagen und fremdsprachiger Literatur. Hinzu kommen unzählige publizistische Texte, vor allem Rezensionen und Berichte über die Hamburger Kulturlandschaft in den bedeutendsten Periodika der Zeit. Als Herausgeberin ist sie darüber hinaus u. a. für die Zeitschriften „Neue Pariser Modeblätter“ (1827–1845), „Iduna“ (1831–1839) und „Berliner Modenspiegel“ (1846–1847) (mit)verantwortlich. Den größten Teil ihres Lebens verbringt Schoppe im norddeutschen Raum, auf Fehmarn und in Hamburg. In den Jahren 1842 bis 1845 wohnt sie für kurze Zeit in Jena. Nach einer Reihe von Schicksalsschlägen entscheidet sie sich schließlich, Deutschland zu verlassen und wandert 1851 in die USA aus, wo sich ihr jüngster und einzig am Leben gebliebener Sohn inzwischen zu etablieren sucht. Von dort aus schreibt sie noch eine Zeitlang Berichte für die deutsche Presse und pflegt weiterhin briefliche Kontakte u. a. zu Ludmilla und Ottilie Assing sowie zu Karl August Varnhagen von Ense. Amalia Schoppe stirbt 1858 nach einem Schlaganfall und wird in Schenectady im Bundesstaat New York beigesetzt. Wird sie in der Literaturgeschichte als eine Randfigur und Autorin von Trivialliteratur abgetan, so lässt sich anhand ihres handschriftlichen Nachlasses, vorwiegend in der Sammlung Varnhagen, ein durchaus differenzierteres Bild einer um Selbständigkeit und Emanzipation kämpfenden Frau zeichnen, die Misshandlung, Gewalt, harte Schicksalsschläge und finanzielle Misere zu bewältigen sucht.

Paweł Zarychta

Literatur

Lorely French:
„Amalia Schoppe (1791–1858). ‚Die Arbeit ist aber Freude und Gewohnheit für mich.’“. In: Vom Salon zur Barrikade. Frauen der Heinezeit. Hrsg. von Irina Hundt.
Stuttgart u. a. 2002, S. 129–142.

Amalia Schoppe:
Erinnerungen aus meinem Leben, in kleinen Bildern. 2 Teile.
Altona: Johann Friedrich Hammerich 1838.

Hargen Thomsen (Hrsg.):
„…das wunderbarste Wesen, so ich je sah“. Amalie Schoppe. Eine Schriftstellerin des Biedermeier (1791–1858) in Briefen und Schriften.
Bielefeld 2008.