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Brief von Caroline de la Motte Fouqué an Karl August Varnhagen von Ense

Nennhausen, 18. November 1829
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 60 Fouqué Caroline de la Motte, Bl. 26-27 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Caroline de la Motte-Fouqué
Empfänger/-in
Karl August Varnhagen von Ense
Datierung
18. November 1829
Absendeort
Nennhausen
Empfangsort
Berlin
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 125 mm; Höhe: 205 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Renata Dampc-Jarosz; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Erstdruck in: BP, S. 151–153. Dem Druck lag die Abschrift dieses Briefes zugrunde.

Seite „26r“

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[Karl August Varnhagen]Frau von Fouqué.
Nennhausen den den 18t Novbr: 1829

[Karl August Varnhagen]Nennhausen, 18. November 1829.
Geehrter Herr.

Lassen sie mich ein inniges Wort
zu Ihnen im Vertrauen sprechen!
Ihr heutiger Brief an Fouqué
hat diesen, in Bezug des mißglück-
ten Unternehmens seiner Zeitschrift

erschüttert, geschmerzt. Er ist zeit-
her kränklich, es ist ihm mit allen
literärischen Unternehmungen nur müh-
selig gelungen. Sein Muth ist ge-
brochen, seine schöne, reine Seele
im Unfrieden mit der Welt. Er
bedarf äußerlich viel, und innerlich
nicht weniger. Daß man in Deut-
schland aus der Mode kommen, und
eben so schnell vergessen als aner-
kannt werden, daß man eben den
Buchhandlern lästig fallen kann, die
man bereichern half, das will ihm
nicht ein, er sieht Partheihaß und
Verfolgung von einer Seite, die er
sich feindlich gesinnt glaubt. Ich glau-
be das nicht
, um so weniger, als ich
den anders Denkenden eben so wenig per-
sönliches Verkennen zutraue wie
ich deßen selbst fähig bin. Er selbst
empfindet auch so, aber er finde sucht

Seite „26v“

Trost darin, es anders zu glauben.
Dem sei nun wie ihm wolle.
Sie sind sein Freund in jedem Falle,
Sie sind redlich, treu und gefühl-
voll. Helfen Sie mir Fouqué
aufrichten, ihm wieder Vertrauen
zu dem inneren Berufe geben
dem ihm Gott durch Natur und
Stellung in der Welt weihete.
Er muß schreiben, will er nicht
ersticken an der eignen Unruhe
der Phantasie, er muß schreiben
will er die Bande des thätigen
Menschen in der Gesellschaft le-
bendig erhalten, er muß schreiben,
will er im fünfundfunfzigsten
Jahre nicht allen Gewohnheiten des
Daseins entsagen. Wie machen
wir es aber, daß der einst gefeier-
te Dichter nicht mit seinen Ma-
nuscripten, wie ein Bettelmann
umhergehe und dem vornehmge-
wordenen Buchhändler nachlaufe
der ihm achselzuckend den Rücken

Seite „27r“

wendet, und zu dem Schmerze [×××]-
undankbaren Deutschland an-
zugehören, noch die Demüthigung des
Uebermuthes gesellt? Helfen Sie
mir, bitte ich Sie, dies von Fou-
qué
abwenden; Sie waren immer
sinnreich. Sie werden es hier auch
sein, das Schönste im Menschen, die
Treue
wird die Schnellkraft Ihrer
Gedanken heben.
Fouqué hoffte von dieser Zeit-
schrift viel. Er hat nun ein Jahr hin
durch vergeblich gearbeitet. Der
Verlust ersetzt sich nicht. Zudem
hat er einen wirklich intereßanten
Roman, das Leben eines jungen
ehemalig Preußischen Offizier, unter Buona-
parte
in Egypten
fast beendet, und
ein Hellenisches Trauerspiel in
Versen
im Manuscript liegen.
Er hat den Muth verloren, es irgend
jemand anzubieten. Wie helfen
wir ihm, daß ihm Einer entgegen-
komme?
Sie sehen, daß ich, große Tugenden in Ihnen
ehrend, Vertrauen und Zutrau-
en

Seite „27v“

gleich lebendig bewahrte.
Ich weiß, was Sie mir hinsichts der
literarischen Erfolge von Fouqués Muse
sagen können. Ich kenne ihn und sein Pu-
blikum vollkommen, allein ich will
just das, was ich nicht zu finden weiß;
Vermittlung, Ergänzung einer stehen-
den
Art und Weise, und einer forteilen-
den Zeit.
Ich wiederhole es, Ihre Treue, Ihr Scharf-
sinn, Ihre Umsicht, wird das zu
finden wissen. Ich glaube hieran,
und sage es Ihnen, wie ich es glaube.
Antworten Sie mir nicht gleich.
Vielleicht gar nicht. In drei bis
vier Wochen komme ich nach Berlin.
Ich werde Sie dann fragen, was Sie
still und klar ersonnen haben?
Meine herzliche Empfehlung
Ihrer Frau. Ihnen mache ich weiter keine
Versicherungen. Dieser Brief ent-
hält alles was eine freimüthige
lebhafte Seele ohnehin weder anders aus-
sprechen noch verhehlen kann. Die Ihrige

CdlM Fouqué.