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Brief von Fanny Tarnow an Ludmilla Assing

Berlin, 23. Mai 1851
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 241 Tarnow Fanny, Bl. 10 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Fanny Tarnow
Empfänger/-in
Ludmilla Assing
Datierung
23. Mai 1851
Absendeort
Berlin
Empfangsort
Berlin
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 140 mm; Höhe: 220 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription und Annotation durch Renata Dampc-Jarosz; Auszeichnung nach TEI P5 durch Betty Brux-Pinkwart; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „10r“

10

[Ludmilla Assing]Fannÿ Tarnow, Berlin, den 23. Mai 1851.
den 23sten Mai

Dies Blättchen bringt Ihnen, theure Ludmilla, meinen
herzlichen Morgengruß u zugleich den besten Dank
für die hiebei zurückerfolgenden Journale.
Ich war
seit ich Sie zum Letzenmal sah, recht leidend, mußte
mehrere Tage das Zimmer hüten u werde diesmal
Berlin verlassen ohne irgend etwas von seinen
Kunstschätzen u übrigen Herrlichkeiten gesehen zu
haben. Da ich aber noch 8 Tage hier bleibe u auf
die Einsamkeit meines Zimmers beschränkt bin, komme
ich mit einer neuen Bitte: Können Sie mir nicht
auf einen oder zwei Tage das 1te Heft des
deutschem Museum
von Prutz u Wolfsohn senden
in denen aus des Onkels noch ungedruckten
Denkwürdigkeiten
das Bruchstück: Kotzebues
Ermordung
abgedruckt ist? – Ich bin äußerst
gespannt es zu lesen u in Dessau ist keine
Aussicht es zu Gesicht zu bekommen. Wenn es
gleich in unsern Tagen u für dieselben wohl nicht
ausdrücklich geschrieben ist, so ist es doch gewiß
nicht ohne Absicht von dem Verfasser gerade
jetzt veröffentlich. Ich weiß im Voraus wie es
mich ansprechen u mich anregen wird u ach!
das thut mir jetzt so noth! – Diese herbe
Abgeschiedenheit von der Natur, zu der mich
meine Krankheit zwingt, mattet mich geistig
ab. Ein Maimonat, in dem ich keinen Blüthen-
baum gesehen, keinen Singvogel gehört
habe – das ist hart.
Auf die mir von Ihnen gegebene Nachricht Karl
Beck
seÿ angekommen u wohne im Rheinischen
Hof schrieb ich ihm das einliegende Briefchen, das

Seite „10v“

ich aber von der Post zurückerhielt. Sollten Sie nun
bestimmt wissen, daß er hier ist u wo er anzutreffen
ist, so bitte ich Sie das Briefchen anders zu couvertiren
u es ihm dann zu kommen zu lassen – im entgegen
gesetzten Fall erhalte ich es wohl zurück. Vergeben
Sie mir diese unbescheidene Bitte – allein es ist
kaum glaublich wie schwierig es in meiner kleinen
Haushaltung, bei nur einem Dienstmädchen, ist irgend
eine Besorgung ins Werk zu setzen, u Sie, meine
Ludmilla, sind so herzensgut, so gefällig u. freundlich
daß man sich unwillkürlich getraut Sie zu bitten,
wo man Ihres Beistandes bedarf.
Ich sehe Sie doch noch, Liebe, vor meiner Abreise?
Wie geht es dem Onkel? [×××] Ich denke so viel an ihn –
Ich reife zu einem immer tieferem Verständnis seiner
u auch seiner Rahel mehr u mehr heran.
Aus treuem Herzen Ihre
Fannÿ