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Brief von Charlotte von Ahlefeld an Helmina von Chézy

Schleswig, 24. Juni 1821
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 1 Ahlefeld Charlotte von, Bl. 15-16 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Charlotte von Ahlefeld
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
24. Juni 1821
Absendeort
Schleswig
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 130 mm; Höhe: 210 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Renata Dampc-Jarosz; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „15r“

15

[Karl August Varnhagen]Charlotte von Ahlefeldt
an Fr. von Chézy.
Schleswig den 24sten Juny 21.
Obgleich Ihr Brief, meine gute Helmine, erst spät
in meine Hände kam, und mich nicht in der
Stimmung fand, in der man gern die
Feder ergreift, sich seinen Lieben mit-
zu theilen, so versäumte ich doch nicht
Ihren Auftrag wegen Ihres Vaters sogleich
zu vollziehen. Ich schrieb ihm, daß ich
ihm von Ihnen 2 Louisd’or auszahlen solle,
die ich anschloß, und bat, Ihnen recht bald
den Empfang derselben zu melden, in-
dem es nicht nöthig sei, mir dafür zu
quittiren, da ich, um mich zu legiti-
miren, daß ich Ihren Wunsch erfüllt, den
Postschein behalten würde. Diesen lege
ich Ihnen hier bei, meine gute Freundin
und freue mich, daß Ihr kindliches Gefühl
sich an mich wandte, um dies kleine Ge-
schäft zu vollführen.
Und nun – von mir. O Helmina,
welche Erfahrungen habe ich gesammelt
auf der Dornenbahn, wo sonst nur
Rosen mir blühten! Lassen Sie mich da-
von schweigen
. Mir fehlt die Kraft, mein

Seite „15v“

eignes Herz durch Wiederholung dessen, was
es gelitten, von neuem zu zerfleischen
und Sie erlassen mir gewiß den Willen.
Wir werden uns nun öfterer im Leben
sehn, denn Michaelis
verlasse ich meine
freundliche Wohnung und die Küste des
Meeres, und ziehe nach Weimar, wo
ich leicht zu weilen Dresden erreichen
kann.
Von der G. weiß ich nichts, als daß wenige
was Sie mir schrieben. Dreimahl habe
ich sie schriftlich beschworen, mir Nachricht
über ihr Befinden zu geben, aber sie
ist stumm – und ich verstumme nun auch.
Schmerzlich ists, zu sehen, daß die, die
man liebt, einer gewißen Indolenz lie-
ber nachgeben, als dem heißesten Wunsch
der Freunde, deren Erfüllung Beruhigung
gewährt. Ihre Zeit ist beschränkt, das ist
wahr, aber kann sie nicht einmahl eine
langweilige Visite ablehnen, um mir
zwei Zeilen zu schreiben, so weiß ich
nicht, wie ich dies nennen soll. Doch auch
hiervon nichts mehr für jezt.

Seite „16r“

16

Meine Feder ruht – mein Kopf ist leer und
wüst, mein Herz voll und schwer. Schrei-
ben Sie mir doch bald. Wenn ich erst
in Weimar eingebürgert bin, will ich
fleißig arbeiten. Ich muß es auch, denn
es ist dort sehr theuer. Aber werde ich
es auch können? Mir ist, als sei ich
wie vom Himmel herabgefallen in ein
ödes unwirthbares Land! – Ich mahle
jezt viel – es ist meine einzige Be-
schäftigung. Ich bin hier sehr geliebt und
geachtet. Alle meinen Bekannten – mit
Ausnahme dessen, der mir mehr war
als alle – drängen sich trauernd um
mich her, und möchten mich festhalten;
doch ich würde hier zu Grunde gehn,
und möchte gern für meine trübe
Zukunft den Glauben an die Mensch-
heit retten, der hier zu schwanken
begann. Für die treuen Seelen, die
mir so innig anhängen, will ich die
matten Versuche meines Pinsels zurück
lassen. Daher mahle ich so viel; sonst
würde ich gar nichts thun.

Seite „16v“

Meine Gesundheit hat sehr gelitten. Ich muß
eine ernstliche Kur brauchen. Aber die bitteren
Tropfen, die mir das Schicksal reicht, werden
doch sehr versüßt durch ein reines Bewußtseyn.
Der Herr Georg Lotz scheint ein schlechter Zah-
ler zu sein. Noch habe ich nichts von seiner
Hand empfangen, und hätte doch so manches
zu fodern. Habsucht, Selbstsucht und Eigennutz
ist die schlimme Mischung aus der die meisten
Redactoren zusammen gesezt sind.
Nun adieu! ich reiche Ihnen herzlich und
innig die Hand. Zeigen Sie meinen Brief nie-
mand, als der freundlichen Flamme Ihres
Herdes der ich Sie bitte, ihn mitzuthei-
len. Ich hoffe Friederike führt sich gut
auf, und die Kinder sind wohl. Wo ist
Babet? – Grüßen Sie die Abendröthe,
wenn Sie auf der Elbe schimmert und
den Mond, wenn er die Brücke ver-
klärt. Er spiegelt sich oft in meinen Thrä-
nen, aber ich erhebe dann mein Herz
zu Gott, und glaube an treue Freund-
schaft
– so ermuthigt mich das viel,
herzlich Ihre Charlotte.
Wie geht es der Iduna?
Wann erscheint das dritte
Heft?