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Brief von Charlotte von Ahlefeld an Helmina von Chézy

Schleswig, 31. Mai 1820
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 1 Ahlefeld Charlotte von, Bl. 9-10 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Charlotte von Ahlefeld
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
31. Mai 1820
Absendeort
Schleswig
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 130 mm; Höhe: 210 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Renata Dampc-Jarosz; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „9r“

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[Karl August Varnhagen]Charlotte von Ahlefeld
an Fr. von Chézy.
Schleswig den 31sten Mai 20.
Welch ein Unstern mir Ihren lieben Brief so lan-
ge vorenthalten hat, meine theure Helmina,
begreife ich nicht. Er ist vom 14ten April da-
tirt, und erst am 25sten Mai bekam ich
ihn. Recht lange habe ich gar nichts von
Ihnen gehört, und daher brachte mich
diese Verzögerung des Absenders
an den Sie den Brief eingeschlossen
um eine Freude, der ich mit Verlan-
gen entgegen blickte. Die Einlage an
die Brun habe ich mit umgehender Post
besorgt.
Hier sende ich Ihnen vorläufig einige
Kleinigkeiten [die für einen anderen Zwek
bestimmt waren] um zu prüfen, ob
sie eines Pläzchens in der Iduna
wür-
dig sind. Hoffentlich kennen Sie mich
so genau, um zu wissen, daß Dün-
kel und die Eigenliebe nicht eben unter
meine Fehler gehören. Finden sie da-
her was ich Ihnen schickte, nicht brauch-
bar, so sagen Sie mir es offen, und
geben dann an unsere Gensike die
Papiere, der ich eine andere Bestim-
mung für sie anweisen will. Ich habe

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aus einem Wust alter ungedrukter Papiere die
von einem Augenzeugen mit angesehene Ce-
remonie den h. Nepomuk betreffend geschildert, und mit den historischen
Notizen begleitet, die dazu gehörten, ein
Ganzes zu bilden. Das Conversationslexikon
(das
überhaupt von Unrichtigkeiten wimmelt( nennt ei-
nen andern Pabst, der die Heiligsprechung be-
stätigt habe. Ich denke indeß, was ein Augen-
zeuge als Zeitgenosse jener Begebenheit in
sein Tagebuch schrieb, müsse das richtigere seÿn.
Was ich – anmaßend genug – als Gedanken
blüthe
Ihnen darbiete, ist eine offen be-
kannte Nachahmung unserer Fanny, die
in den Originalien
sehr oft einzelne
Gedanken unter der Bezeichnung: Andeu-
tungen
, wie Perlen an einander
reiht. Vielleicht können Ihnen die mei-
nigen hie und da als Lükkenbüßer
dienen.
Schreiben Sie mir doch recht bald, aber
nicht durch Einschluß an die Gensiken, denn
die läßt ewig die Briefe bei sich liegen.
Lieber schliessen Sie mir einen Brief
von ihr ein; ich habe sie so flehentlich
gebeten, mir bald zu schreiben,
aber immer muß ich Monate, wohl
gar Vierteljahre lang warten. Das
bertrübt mich oft recht sehr, da ich sie

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so innig liebe. Ich habe jezt einen Roman
geendigt, den ich: der Mohrenknabe,
oder die Wallfahrt auf den Montserat

nannte. Hoffentlich nimmt ihn Hammerich
aus alter Bekanntschaft, (denn er hat sich
in Ruhe gesetzt, und macht wenig Geschäfte
mehr( Er wird sich sehr bald darüber
erklären, und ich wünsche ihn in seinen
Händen, weil er so pünktlich bezahlt,
und das Geld nun einmahl nicht unter
die Dinge gehört, von denen ich reich-
lich besizze. Wäre dies leztere, so wür-
de ich auf Flügeln der Extrapost nach
dem geliebten Dresden eilen, um alles
wieder zu sehn, was mir theuer ist, und
mich an der Freude unserer Fannӱ zu
weiden, wenn sich ihr, Hamburgs trü-
bem Küchenrauch entflohn, die Reize
der herrlichen Gegend, und die Vorzüge
dieser mir so lieben Stadt aufthun.
Ich habe seit Lübeck keine Nachricht
von ihr. Hoffentlich ist sie nun längst
in Dresden angekommen. Sagen Sie mir
doch nun auch etwas von sich selbst,
von Ihren Kindern, von Baron Bielefeld

den ich freundlich grüße, und ob Sie

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noch dort wohnen, wo ich sie kennen lernte, und
ob die kleine Grasmücke
noch lebt, auch
Babet sich wohl befindet? Ich könnte
meine Fragen noch unendlich verviel-
fachen, [wenn] es nicht unschicklich wäre, den
geistreichen Übersezzer des Calderon
hinter der Grasmükke und Babet auf-
treten zu lassen u.s.w. Daher
spare ich für einen nächsten Brief, was
für diesen das Gedräng der Eile mich
übergehen läßt. Schreiben Sie mir
recht bald, und direkt, aber vergessen
Sie nicht, geborene von Seebach auf den
Brief zu sezzten, damit er nicht in
unrechte Hände kommt. Und nun
Gott befohlen.
herzlich und treu
Ihre CvA.
Eben so dankbar, wie ich Ihrer beßerenden
Hand in Erna
folgte, werd ich auch
hier anerkennen, was sie corrigirt
und ändert. Als Ernestine will ich mich
bemühen, das Wohlwollen der Leserin-nen der Iduna
zu gewinnen, denn
ich darf, wie Sie wissen, nicht unter meinem
wahren Namen auftreten. Adieu, beste
Helmina, schreiben Sie mir bald.
[Charlotte von Ahlefeld]ich bitte um die freundliche Besorgung
dieses Briefes an meine gute G.