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Hamburg

Hamburg von der Außenalster gesehen, kolorierter Stich, o. D. [um 1830] (Biblioteka Jagiellońska Kraków, SV 18).

„Hamburg ist so groß, so erfüllt, so reich, so mannichfaltig, und hatte schon mehrmals eine schöne literarische Blüthezeit, […] da Männer wie Klopstock, Claudius, Reimarus, Büsch, Sieveking, Dr. Veit, Dr. Kerner, Perthes, und manche andere hier lebten, in großem Ansehn standen, nach vielen Seiten hin auch auf Frauenkreise Einfluß hatten, und gesellige Kreise bildeten […].“ – auf diese Weise warb Rosa Maria Assing, geb. Varnhagen, für die Hansestadt, mit der sie seit 1796 verbunden war, in einem Brief an Theodor Mundt vom 12. November 1837 (BJK SV 130). Auch wenn Hamburg in den literaturgeschichtlichen Studien nicht zwingend als ein Zentrum des literarischen Lebens in Deutschland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts thematisiert wird, so veranschaulicht diese Passage in aller Kürze, dass dies nicht ganz zurecht geschieht. Die Bedeutung der Elbemetropole als einer Stadt, in der ein intensives und vielfältiges Kulturleben blühte, wurde auch früh reflektiert, wovon mehrere Nachschlagewerke mit einem hanseatischen Schwerpunkt zeugen. Als ein frühes Beispiel kann das von Hans Schröder 1851–1883 herausgegebene „Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart“ genannt werden, das in acht Bänden über 4500 mit der Stadt an der Elbe verbundene Autoren und Autorinnen bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts bio- und bibliographisch zu erfassen sucht.

Auch die handschriftlichen Dokumente aus der Sammlung Varnhagen, die mit den hier vertretenen Schriftstellerinnen im Zusammenhang stehen, lassen genauere Aussagen über die Prominenz Hamburgs als einer Kultur- und Literaturstadt in der einschlägigen Zeitperiode machen. So reflektieren etwa Amalia Schoppes Briefe an Rosa Maria Assing, Helmina von Chézy, Fanny Tarnow, Ludmilla und Ottilie Assing nicht nur historische Ereignisse (z. B. die französische Besatzung der Stadt 1806–1813, die Julirevolution 1830, die Cholerawellen von 1831 und 1832 oder den sog. Großen Brand von 1842), sondern auch kulturelle Veranstaltungen oder für die Hansestadt relevante Debatten, wobei sie die Hintergründe des literarischen Marktes mit seinen Akteuren und Institutionen beleuchten, wie z. B. dem renommierten Verlag Hoffmann & Campe. Beschrieben werden auch zahlreiche Aktivitäten der geselligen Kreise, die sich um die u. a. von Rosa Maria Assing und Salomon Ludwig Steinheim mit seiner Frau Johanna geführten literarischen Salons bildeten. Diese weit über Hamburg hinaus bekannten Häuser waren nicht nur Orte regen Austausches von Gedanken und Ideen sowie intensiver philosophischer und politischer Debatten, sondern sie verhalfen auch oft jungen Autoren und Autorinnen, sich durch den Einstieg in ein überregionales Netzwerk von einflussreichen Freunden und Bekannten auf dem literarischen Markt zu etablieren. Zu prominenten Gästen dieser Salons gehörten u. a. Heinrich Heine, Justinus Kerner, Fanny Tarnow, Adelbert von Chamisso, Ludolf Wienbarg, Karl Gutzkow, Theodor Mundt und Friedrich Hebbel. Die Korrespondenzen aus der Sammlung Varnhagen spiegeln nicht nur Stationen ihres Lebens, sondern auch ihre literarischen Pläne, publizistischen Aktivitäten und auch Fehden wider, etwa im Falle Gutzkows und seiner in Hamburg 1838–1848 herausgegeben Zeitschrift „Telegraph für Deutschland“.

Die Bedeutung Hamburgs als einem der Knotenpunkte für die im Rahmen des Projekts erfassten Autorinnen schwand in den 1840er Jahren. 1840 starb Rosa Maria Assing, 1842 ihr Ehemann David Assur. Im selben Jahr zog Amalia Schoppe nach Jena um – wenige Tage vor dem Ausbruch der Feuerkatastrophe am 5. Mai, infolge deren ca. 20.000 Hamburger:innen ihre Heimatstadt verlassen mussten, darunter Ludmilla und Ottilie Assing, die sich bei ihrem Onkel Karl August Varnhagen von Ense in Berlin niederließen.

Paweł Zarychta
Hamburg von der Außenalster gesehen, kolorierter Stich, o. D. [um 1830] (Biblioteka Jagiellońska Kraków, SV 18).

Literatur

Hans Schröder u. a. (Hrsg.):
Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart. 8 Bde.
Hamburg: Perthes-Besser und Mauke 1851–1883.

Inge Stephan und Hans-Gerd Winter (Hrsg.):
„Heil über dir, Hammonia“. Hamburg im 19. Jahrhundert. Kultur, Geschichte, Politik.
Hamburg 1992.