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Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

[Hamburg], 21. August 1825
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 114–115 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
21. August 1825
Absendeort
Hamburg
Empfangsort
Hamburg
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 200 mm; Höhe: 250 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Erstdruck: Thomsen, S. 254–256.

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Assing
Meine theure Rosa!

Ich schreibe Dir heute unter entsetzlichen Kopfschmerzen, woran ich schon seit längerer Zeit
leide, werde mich also so kurz als möglich fassen müssen, um sie nicht zu vermehren.
Eine Bitte führt mich zu Dir: wolltest Du mir nicht den großen Gefallen thun,
mit Deinem Mahler wegen meines Zimmers in der Stadt zu reden und
mit ihm so billig als möglich – über 10 bis 12 [Mark]. wollte ich aber für
das Ganze nicht geben – den Handel darüber zu schließen? Du wür-
dest mir dadurch einen sehr großen Dienst erzeigen und einen ganzen
Tag ersparen! Ich wünsche das Zimmer wieder grün, wie jetzt, zu
haben; unten grau, nicht zu hell, sondern lieber etwas dunkel,
weil es weniger schmützt; den Fußboden braun, die Decke ge-
weißt; Thüren, Fenster und Fensterposten mit weißer Oelfarbe.
Wenn er mir dieses Alles für den oben bestimmten Preis machen
könnte, wollte ich gern, daß er bald dabeiginge; er hat ja das
Zimmer schon besehen.
Wenn es Dir nicht zu viele Zeit raubt, theure Rosa, so mache den
Accord so gut als möglich mit dem Maler; Du verstehst besser zu
handeln als ich, denn leider! ist das ganz meine schwache Seite und
ich werde noch alle Tage betrogen.
Warum, theure Rosa, benutzest Du nicht einen der guten Tage, um
ihn mit Assing und den Kindern ganz bei mir zuzubringen? – ich
sah Dir so oft sehnend entgegen!
Neulich wollte ich Deinen beiden Kleinen ein allerliebstes, lebendiges
Häschen bringen; aber Alphons und Julius erhoben bei diesem
Vorschlage ein Geschrei, daß mein schwaches mütterliches Herz nicht
widerstehen konnte, und Vorstellungen wollten auf die Jungen
nicht wirken; aber ich habe schon Anweisung gegeben, das Erste
welches vom Hirten wieder gefangen wird, mir zu bringen und
dann sollen Deine Kinderchen es haben; es sind so allerliebste
Thierchen, und Du kannst es auf einer Bodenkammer sehr gut ver-
wahren; meine Kinder haben unendliche Freude an dem
lieben Marten. Auch eine Lerche vermehrt unsern Hausstand,
und zwar eine singende; der Hirte hat sie mir geschenkt. Sollte
Assing nicht einen ganz alten Filzhut, den er gar nicht mehr
brauchen kann, liegen haben? Unser Hirte hat den seinigen
verloren und geht schon seit zwei Monaten ohne einen solchen,
denn Leute der Art können sich Verlornes nicht wieder anschaf-
fen; da hat er mich denn gebeten; aber ich kann nicht damit

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aushelfen; vielleicht hat Assing ein dergleichen schon ganz confiscirtes
Stück liegen und gewährt es mir freundlich. Wenn Du mir damit dienen
kannst, so laß es nur nach meinem Hause bringen, wo es mir dann
herbesorgt wird.

Meine „Verwaisten“
sind nun auch da, ärgern mich aber durch schändliche
Druck-Böcke; besonders ist die Interpunction förmlich lächerlich; es
ist ein Preß-Sudelwerk; ich mag es Dir darum nicht geben.
Die Chezy hat mir auch einen Streich gespielt; vor 3, 4 Jahren gab ich
ihr eine Erzählung, ich weiß nicht mehr wofür: jetzt steht sie, ohne daß
ich sie nachgesehn, auf einmal im Frauen-Taschenbuche!!!
Ich würde
sie gewiß so nicht in die Presse gegeben und sie gewiß ganz umgeän-
dert haben; was beginnt man nun mit so gutmüthigen, aber un-
vernünftig dienstfertigen Freunden? Mir bleibt nichts übrig, als
still den Nachtheil zu ertragen, der mir daraus erwachsen wird,
denn die Geschichte – ich weiß kein Wort mehr vom Inhalt –
wird tüchtig mitgenommen werden und verdient es vermuthlich recht
sehr.

Verzeih das schlechte Schreiben; aber mir fließen fast die Augen über,
indem ich aufs Papier sehe. Da sich meine Kopfschmerzen jeden Nach-
mittag einfinden, d. h. gleich nach Tische, glaube ich, daß sie aus dem
Magen kommen, der überhaupt nicht in Ordnung ist, und will des-
halb schon morgen mein Haupt-Mittel, Essenc. Rhei amar:
nehmen, was schon helfen wird; Assing wird über mein Curiren
lachen; aber oft helfe ich mir durch solche kleine Mittel, weil ich
meine Natur genau beobachte; am meisten durch strenge Diät.
Alphons Auge wird, nach meiner Ansicht, sehr viel besser; das
weiße Flekchen ist sichtbar vom Augenstern, eine Linie wenigstens,
heruntergesunken, mithin verkleinert; auch scheint das Ganze viel
dünner, lockerer, so daß es bald ganz verschwunden sein wird,
was mich unendlich freut.
Carl hat seit längerer Zeit eine Flechte unterm Knie; bald war
sie ganz weg, bald wieder da; sie verhindert ihn am Gehen;
ich las, daß Napoleons Arzt, Corvisart, eine spanische Fliege
dagegen verordnete und habe ihm diese jetzt unter der Flechte

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gelegt, will sie auch noch lange offen erhalten; der Ausschlag
scheint viel besser zu werden und schmerzt nicht mehr.
So giebt’s nichts als Uebel in der Welt! Gott weiß, woher
sie alle kommen?
Der Sommer ist im Ganzen unfreundlich, doch haben wir schöne,
wonnereiche Stunden; gerade die, welche man dem Sturm und
Regenwetter abstiehlt, sind die schönsten, entzückendsten; doch
hat man solche nur auf dem Lande.

Ich habe heute das ganze Haus voll Gäste; Mutter, Lucie,
Tante Dalençon und zwei junge Dämchen, die bei der
Letztern zum Besuche sind; sie müssen freilich fürlieb nehmen!
Ich küsse Dich und die Kinder und grüße meinen theuren, über
Alles verehrten Assing tausendmal!

Ganz Deine
Amalia.

NS: Tante Dalençon wünscht sich auf Heises Schriften
zu unterzeichnen; sollte Assing nicht vielleicht ohne alle Mühe
ihren Namen in die Subscribenten-Liste tragen können? –
Diese liegt doch wohl im Aerztlichen Verein? –

Sonntag d. 21tn Aug: = 25.

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Ihrer Wohlgeb.

der Frau Dr Assing.

in