DE | EN

Brief von Amalie von Voigt an Helmina von Chézy

Weimar, 1. August 1820
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 271 Voigt Amalie von, Bl. 4-5 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalie von Voigt
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
1. August 1820
Absendeort
Weimar
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 115 mm; Höhe: 195 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Agnieszka Sowa; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „4r“

4


[Karl August Varnhagen]Amalia Voigt
an Fr. v. Chézy.
Weimar d. 1.sten
August 1820

Es bedarf allerdings der Entschuldigung, Ihnen auf
Ihre geehrte Zuschrift, nicht früher geantwortet zu
haben, ich könnte manche Gründe dafür angeben, will aber
mit dem wahren gleich hervorrücken, ich unterließ es, weil
ich, mit Unrecht, wie ich dies jetzt bei kälterm Blute bemerke,
durch Ihren gewiß freundlich gemeinten Brief verlezt
war. Sie kennen mich nicht, wissen also auch nicht, daß
Plauderhaftigkeit just mein geringster Fehler ist; u.
daß auch Leichtgläubigkeit keiner meiner hervorstechendsten
ist, also Ihnen ist nicht zu verargen wenn Sie wehnten
durch mich habe Kügelgens Verhältniß mit Lotte Schütz
eine allgemeine Kunde erlangt. Nicht allein ihre Worte,
sie die Liebende, an dem Geliebten so gar alles Entschuldi-
gende, ließ michs errathen als sie aussprach, habe ich ge-
traut, seine Briefe überzeugten mich v. denen sie sich bis
an ihren Tod nicht trennen konnte. Gegen Niemand habe ich dar
über gesprochen, als mit einer der vortreflichsten Frauen,
F: v. Hopfgarten, die Discretion u. Verschwiegenheit stets
übertreibt, u. die Lotten eine kräftige Stütze gewesen,
die Makellose, die ächte Christin, ist mild u. aufrichtend
der gefallenen reuigen Schwester. Mit Fanny Tarnow
war Lotte in lebhaftem Briefwechsel,
u. wollte sich ihr ver-
trauen, woran sie der Tod hinderte. Ich übernahm das nun
an ihre Statt, entdecke ihr aber erst auf ihr Verlangen
den Namen des Mannes, weil ich als sie nach Dresden
abreiste, weil ich dadurch in ihm fruchtbringende Reue
durch sie zu erwecken hoffte, was Lotte so sich gewünscht.

Seite „4v“

Mit mehrern darüber zu sprechen, hätte mich schon der Beweg-
grund abgehalten, daß dadurch Lottens Ruf gefährdet, oder der
Friede der Kügelgenschen Ehe untergraben würde, was ich Lotte
das größte Herzeleid würde gemacht haben, diese höhest origi
nelle Eigenthümlichkeit zu characterisiren würde zu weit-
läuftig seÿn, genug, daß bei allen Selbsttäuschungen die
Güte u. Wohlwollen für Freund u. Feind keine Lüge war.
Auch ihre Mutter eine sehr einfältige Frau hatte Briefe
von HK. an sie in Verwahrung. Was aus diesen und aus
den die ihre Tante gehabt, konnte ich nicht verneh erfahren. Sie
starb bei ihr, aber weder Frau v. H., noch ich konnte das
Schicksal ihrer Papiere erforschen, bei der schwachen, wie bei
der zerstreuten, v. vielen Menschen umgebnen Frau wuß
ten wir sie in schlechten Händen; ob dabei Indiscretionen
vorgefallen, wer kann das bestimmen, auch möcht ich gerade nicht
gut dafür seÿn, ob Lotte bei ihrem schnellen unvorsichtigen
Hingeben nicht vielleicht weniger discrete Vertraute als ich
gehabt. Frau v. Ahlefeld wird mir wie ich hoffe, das Zeug
niß geben, wahr u. nicht klatschig zu seÿn; ich berufe
mich darin auf sie.
Was nun Ihre gütige Einladung betrift, mit an der Iduna

Theil zu nehmen, so hatte ich bereits der Frl. Tarnow dar
auf geantwortet, finde es aber gerathener, es Ihnen zu
wiederholen. Die Blumensprache
muß noch ausgearbeitet wer
den, möchte also für das erste Heft zu spät fertig werden,
die Reise
wäre mir für das zweite sehr angenehm, u. bitte
falls sie nicht schon in Ihren Händen ist, sich diese v. der
Tarnow geben zu lassen; desgleichen auch die drei Blätter
der Frauenzeitung, in welcher sie enthalten ist. Die Blätter
sind ganz vergriffen, ich muß daher um die Zurückgabe
bitten weil ich danach die neue Bearbeitung, zu der ich

Seite „5r“

5


bereits alle Materialien gesammelt, u. die vollständiger
nicht allein für Stickereÿ auch auf Mahlereÿ sich ausdehnend
werden soll, sie bedarf. Auch möcht ich gern wissen, ob ich
die Blumen nach den Linneischen oder deutschen Benennung al-
phabetisch zu ordnen habe?
Ferner habe ich angefragt, ob eine kurze Biographie
der Her-
zogin Dorothea Marie von Weimar Ihnen gefällig seÿ? noch
ist sie aber nicht fertig. Auch biete ich mich zu Recensionen
an, in denen ich nicht ungeübt bin. Ueber alles dies bitte
ich um Nachricht, vor allem aber wünscht’ ich die Papiere in Ihre
Hände.
Mehrere meiner hiesigen Bekanntinnen möchten gern wissen, wie
viele Hefte jährlich von der Iduna herauskommen dürften,
um danach ihre Bestellungen einzurichten, es wäre wohl
überhaupt gut, das zu bemerken,
das Ungewisse hielt man-
che v. subspripiren
ab.
Noch wag ich eine Bitte; zu der mich Ihre bekannte Gefälligkeit
meine Unbekanntschaft u. Ungeschick mit Buchhändlern zu
verkehren, veranlaßt; nämlich ob sich für den Antiquaren

v. Walter Scott, ein Verlag fände, wenn ich ihn übersetzen
wollte? Meine Forderungen sind nicht groß. Soviel
ich weiß ist der Antiquare noch nicht übersetzt.
Darf um baldige Antwort bitten
Ihre
ergebenste

Amalie Voigt, geb. Ludecus.

Seite „5v“