Brief von Helmina von Chézy an Karl August Varnhagen von Ense
Genf, 21. Mai 1855
Seite „300r“
[Karl August Varnhagen]
Hochverehrter theurer Freund!
Helmina von Chézy.
Genf, den 21. Mai 1855.
Vorgestern war der Tag, wo ich fähig war aufzustehn, und
wenn ich mich nicht irre, die Meisten meiner Autographen wie-
dergefunden habe. Mein Abschreiber läßt mich sitzen, so wie
er kommt und fertig ist, schicke ich sie augenblicklich zur Post
ab. Mein Gesundheitszustand scheint mir nicht gefährlich
zu sein. Die Grippe greift mich zwar sehr an, und die
Schwäche mag bedenklicher sein, als ich glaube. Gichtschmer-
zen und Unterleibskrämpfe setzen mir zu, allein ich bin
noch guten Muthes, und habe, denken Sie mein: „Unver-
geßliches aus meinem Leben
lich vollendet. Es bleiben noch einige Ausfeilungen, und
die Reinschrift. Wir haben zwei starke Bände, ich hal-
te sie für schön; für Zeitgemäß, und finde nun, daß Sie recht
haben, edler Freund! wenn Sie glauben, daß sie besser
sind als meine früheren Schriften dieser Art. 1840 bat ich den
König, es Ihm zueignen zu dürfen. Ich empfing schnelle Be-
jahung. Dr Parthei wollte den Verlag übernehmen,
dies sind jetzt 15 Jahr, ich hatte seitdem viel Abhaltung
der Verlust meines Max, war nahe daran, mir das Leben
zu rauben; ich bin nun dennoch fertig geworden. Soviel
ich beurtheilen kann, ist das Werk voll neuer Gedanken und
Absichten, es ist gedrängt geschrieben. Andre meiner Vorgen-
gerin haben alles aufgeboten, um Stoff herbei zu schaffen
wenn ich mich nicht irre, die Meisten meiner Autographen wie-
dergefunden habe. Mein Abschreiber läßt mich sitzen, so wie
er kommt und fertig ist, schicke ich sie augenblicklich zur Post
ab. Mein Gesundheitszustand scheint mir nicht gefährlich
zu sein. Die Grippe greift mich zwar sehr an, und die
Schwäche mag bedenklicher sein, als ich glaube. Gichtschmer-
zen und Unterleibskrämpfe setzen mir zu, allein ich bin
noch guten Muthes, und habe, denken Sie mein: „Unver-
geßliches aus meinem Leben
, nach ungeheurer Arbeit glück-
lich vollendet. Es bleiben noch einige Ausfeilungen, und
die Reinschrift. Wir haben zwei starke Bände, ich hal-
te sie für schön; für Zeitgemäß, und finde nun, daß Sie recht
haben, edler Freund! wenn Sie glauben, daß sie besser
sind als meine früheren Schriften dieser Art. 1840 bat ich den
König, es Ihm zueignen zu dürfen. Ich empfing schnelle Be-
jahung. Dr Parthei wollte den Verlag übernehmen,
dies sind jetzt 15 Jahr, ich hatte seitdem viel Abhaltung
der Verlust meines Max, war nahe daran, mir das Leben
zu rauben; ich bin nun dennoch fertig geworden. Soviel
ich beurtheilen kann, ist das Werk voll neuer Gedanken und
Absichten, es ist gedrängt geschrieben. Andre meiner Vorgen-
gerin haben alles aufgeboten, um Stoff herbei zu schaffen
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ich habe jedes Mittel aufgeboten zu konzentriren, denn
ich habe so viel erlaubt, so Manches bewirkt, dabei so wenig als
möglich von mir selbst gesprochen. Meinen Sie, ich solle Partheÿ
darüber schreiben? Es ist seitdem vielfach an Sie an die Karschin erinnert
worden, davon ich mich erinnere an das Unwerk von
Herrmann Klencke, daß nicht viel Bessere von Herrn
v Heeringen mehrern Novellen. Nun kürzlich durch
mich selbst in Dr. Schad’s Taschenbuch
welches anfängt: „O Karsch! O Karsch! Wie rauh
und barsch, Klingt Alles was sich reimt auf Karsch.
ich habe so viel erlaubt, so Manches bewirkt, dabei so wenig als
möglich von mir selbst gesprochen. Meinen Sie, ich solle Partheÿ
darüber schreiben? Es ist seitdem vielfach an Sie an die Karschin erinnert
worden, davon ich mich erinnere an das Unwerk von
Herrmann Klencke, daß nicht viel Bessere von Herrn
v Heeringen mehrern Novellen. Nun kürzlich durch
mich selbst in Dr. Schad’s Taschenbuch
ein Gedicht
welches anfängt: „O Karsch! O Karsch! Wie rauh
und barsch, Klingt Alles was sich reimt auf Karsch.
Warum, warum schafft Mode nun
Was alte Zeit so ehrbar
Einsetzte und erklärbar?
Wo deutsch man spricht, in allen Zonen
Hieß Karschin sie, in Hütten und auf Thronen
Und von der Helden Munde.
Der Grundstein ihres Hauses auch giebt Kunde
Daß sie die Karschin ist; sie wird es bleiben
Ob tausende sie anders schreiben. usw.
Was alte Zeit so ehrbar
Einsetzte und erklärbar?
Wo deutsch man spricht, in allen Zonen
Hieß Karschin sie, in Hütten und auf Thronen
Und von der Helden Munde.
Der Grundstein ihres Hauses auch giebt Kunde
Daß sie die Karschin ist; sie wird es bleiben
Ob tausende sie anders schreiben. usw.
Ich fürchte für den guten Dr. Schad, daß sein Almanach
nicht weiter geht. Ich höre hier sehr wenig von Literaturerzeug-
nißen, doch sagt man mir; die Spekulation mit Clemenz Bren-
tanos Schriften wäre mißglückt ich hatte ganz vergeßen
daß ich Ihnen mein Freund versprochen hatte, was ich noch v Arnim
besitze sollte ich es unter den vorgestern gefundenen Autographen
noch auftreiben können, und sollte es zu Druck nicht zu spät sein
so will ich es Ihnen schicken. In meiner Biographie habe ich viele Briefe
von bedeutenden Personen, die sehr schön sind.
nicht weiter geht. Ich höre hier sehr wenig von Literaturerzeug-
nißen, doch sagt man mir; die Spekulation mit Clemenz Bren-
tanos Schriften wäre mißglückt ich hatte ganz vergeßen
daß ich Ihnen mein Freund versprochen hatte, was ich noch v Arnim
besitze sollte ich es unter den vorgestern gefundenen Autographen
noch auftreiben können, und sollte es zu Druck nicht zu spät sein
so will ich es Ihnen schicken. In meiner Biographie habe ich viele Briefe
von bedeutenden Personen, die sehr schön sind.
Ich bin diesen Abend sehr matt Theurester! meine Arbeit hat mir in-
nerlich wohlgethan, aber dennoch sehr angestrengt. ich habe sie nur
bis gegen die Zeit der Revolution, ohne Erwähnung derselben fortgeführt
nerlich wohlgethan, aber dennoch sehr angestrengt. ich habe sie nur
bis gegen die Zeit der Revolution, ohne Erwähnung derselben fortgeführt
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sie nach dem Tode meines Max zu schließen. Über die Karschin
danke ich meiner Muhme manchen Umstand, der ihrer Bio-
graphie neues Leben eingehaucht hat. Gerwinus hatte sehr
Unrecht von ihr zu sagen: Man könne eher sagen, sie habe ei-
ne frühere Epoche geschloßen, als eine Neue begonnen. Aus
ihren Gedichten will ich nur diejenigen wiederauflegen, die
wahre Lebensgedichte sind, durch welche Herzblut rinnt. Der
Mÿthologische Wust muß heraus. –
Ich schließe, weil ich heut schon Vieles diktirt habe. Schreiben
Sie mir recht bald.
Ich wollte, Sie könnten mir einen Verleger nennen, wie es
Keinen giebt, ich wollte mich an ihn wenden. Gern hätte ich
etwas Näheres über die Fete bei Schwarzenberg
hatte mir viel davon erzählt, und zwar recht feurig von
Ihrer Aufopferung. Könnten Sie mir nicht irgendein Heft
darüber zusenden. Lassen Sie mich bald mein edler Freund
den ich so unverschämt plage, von Ihnen erfahren.
Auch sterbend noch
die Ihrige
Sie mir recht bald.
Ich wollte, Sie könnten mir einen Verleger nennen, wie es
Keinen giebt, ich wollte mich an ihn wenden. Gern hätte ich
etwas Näheres über die Fete bei Schwarzenberg
. Pilat
hatte mir viel davon erzählt, und zwar recht feurig von
Ihrer Aufopferung. Könnten Sie mir nicht irgendein Heft
darüber zusenden. Lassen Sie mich bald mein edler Freund
den ich so unverschämt plage, von Ihnen erfahren.
Auch sterbend noch
die Ihrige
Genf, den 21ten Mai 1855.
Helmina v. Chézÿ.
Seite „301v“
Des
Hoch und Wohlgebornen Herrn
Herrn Geheimenrath u Ritter
Hoher Orden August.
Varnhagen v Ense
Berlin.