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Brief von Caroline Pichler an Helmina von Chézy

[Wien], [9. Februar 1825]
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 142 Pichler Caroline, o. D. XXII XML-Datei downloaden
Absender/-in
Caroline Pichler
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
9. Februar 1825
Absendeort
Wien
Empfangsort
Wien
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 127 mm; Höhe: 210 mm
Foliierung
Keine Foliierung durch das Archiv vorgenommen. Keine Paginierung durch die Absenderin vorhanden.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Katarzyna Szarszewska; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „1r“

[Karl August Varnhagen]Karoline Pichler an Fr. v. Chézy.

Endlich verehrte Frau komme ich dazu, Ihnen den Brief des Grafen Löben
den ich mit großem Antheil las, u die Briefe der L’Espinasse zurück-
zustellen. Vorgestern war ich fast den ganzen Tag nicht zu Hause,
und gestern mit Besuchen überhäuft. Ich habe das Buch
bloß durch-
blättert, denn sein Geist sprach mich nicht an, u daher nur weniges
aufgeschnitten. Was will diese Unglückliche? Selbst nicht mehr jung,
nicht schön, nicht liebenswürdig (wie sie selbst sagt) strebt sie mit
der Angst der Schiffbrüchigen dennoch, das Gut das ihr jeden
Augenblick entkommen will, fest zu halten, den geistreichen
und vielleicht jüngren, brillanten Mann zu fesseln, der sie
– seine Briefe kommen zwar nicht vor – nach allem was sie selbst
sagt, mit empörendem Übermuth zu behandeln scheint. Frey geben
will er die Sclavine, deren Eroberung seiner Eitelkeit schmeichelt
doch nicht, und es freut ihn sie an seinem Triumphwagen
auf u ab zu schleppen. Es ist fast kein Brief im Buche, worin
L’E. sich nicht mehrmahls widerspräche, das erstgenannte wie-
der zurück nimmt, dann wieder bejaht, u abermahls verneint –
kurz ihr Gemüth zeigt sich in beklagenswerther Verirrung
und in so fern verdient sie unser Mitleid. Das Schöne aber

Seite „1v“

was Frl Tarnow in ihrem Leiden sieht, kann ich nicht finden. Hätte
sie einige Würde u Haltung in ihrem Gemüthe, so gäbe sie den
Selbstsüchtigen Guibert auf, und D’Alemberts Freundschaft,
und Mora’s Andenken (dem sie doch eigentlich ungetreu ist)
würde das Heiligthum ihres Herzens erfüllen „So ist sie ein
alterndes Fräulein, das noch weit unter ihren Jahren verwelkt
ist, und die natürliche Strafe einer solchen Verirrung trägt.
Apropos! Haben Sie ein Gedicht
zur Feyer des Geburtstags Sr Maje-
stät
mit der Unterzeichnung L. Norbert u einem lateinischen
Motto
an H Bäuerle eingesandt? Dieses Gedicht ist gekürt
worden, man wünscht den Preis dem Verfasser zuzustellen,

ich habe auf Sie gerathen, und den Menschen an Sie gewiesen.
Dann, noch eine Frage. In welches Journal denken Sie Ihre gütige
Anzeige meines Romans
zu geben?
wenn es nicht unbescheiden
ist danach zu fragen.
Recht bald sehe ich Sie, und sage Ihnen mündlich wie sehr Sie
schätzt
Ihre

den 9ten

Pichler

Seite „2r“

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