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Brief von Fanny Tarnow an Ludmilla Assing

Dessau, 23. März 1855
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 241 Tarnow Fanny, Bl. 12 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Fanny Tarnow
Empfänger/-in
Ludmilla Assing
Datierung
23. März 1855
Absendeort
Dessau
Empfangsort
Berlin
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 140 mm; Höhe: 230 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche und Transkription durch Renata Dampc-Jarosz; Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Betty Brux-Pinkwart; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „12r“

12

[Ludmilla Assing]Fannÿ Tarnow, Dessau, den 23. März 1855.
Dessau. d 23sten März 55.

Werden Ihnen diese Schriftzüge das Andenken an
eine ferne alte Freundin zurückrufen, die Ihrer
so oft mit der innigsten Theilnahme gedenkt u
sich schmerzlich nach Kunde von Ihnen sehnt? –
Gute, liebe Ludmilla, der Tod unsrer edlen
Gräfin Ahlefeld hat Sie, wie ich weiß, gewiß
recht schmerzlich ergriffen – u doch, Ludmilla,
der Tod ist so schön – aber leben u ergründen
wie der dunkle Schatten der Vergessenheit
sich tiefer u tiefer auf uns herabsenkt u uns
dem Andenken unserer Freunde entfremdet
während sich in unserm Herzen die Kraft u
Muth der Liebe immer mehr concentrirt
u jedes Zeichen der Theilnahme u der Erinnerung
bei uns im Werthe steigt – das thut wehe, Liebe,
– das thut wehe, sehr wehe! – Sie haben seit Jahren
nichts von mir gehört u auch wohl nicht an mich
gedacht – Lassen Sie mich nun das Andenken an
mich in Ihrem Herzen wieder wachrufen u lassen
Sie Sich von der Ueberbringerin dieser Zeilen
alles erzählen, was Sie von mir zu hören
wünschen u lassen Sie mich aber auch durch sie
erfahren, wie Sie leben u werfen Sie durch
die Erfüllung dieses Wunsches einen lichten
Schein auf mein stilles einseeliges Leben.
Ich selbst kann Ihnen nur sagen, daß ich
in mir ein still, einsames heiteres Leben lebe,
voll Theilnahme an allem Schönen, Guten
u Wahren u in der lebendigsten, liebvollsten
Erinnerung an ferne Lieben. –
Fräulein Ida von Busse,
die Ueberbringerin
dieser Zeilen, ist mir sehr lieb u theuer

Seite „12v“

u in jeder Hinsicht werth, von Ihnen
freundlich aufgenommen zu werden. Ich möchte
so gerne daß ihr Aufenthalt in Berlin sie
um schöne Erinnerungen bereicherte u daß dazu
die Bekantschaft mit Ihnen gehören wird, weiß
ich. Könnten Sie ihr die Freude machen, Ihren
Herrn Onkel, unsre theure Frl. Solmar u Mundts

kennen zu lernen, so würden Sie Sie große Ansprüche auf ihre Dankbarkeit erwerben. –
Ich kann leider nicht mehr schreiben, wenn
die Fingermuskeln vom Rheumatismus
gelähmt sind u so kann von so Vielem
was ich Ihnen sagen möchte, so gar nichts
Wort werden. – Giebt es aber in Ihrem Kreise
noch Jemand der sich meiner erinnert, so sagen
Sie ihm, daß ich die treueste Theilnahme an allen
bewahre, die mir je lieb gewesen sind.
Liebste Ludmilla, diese Zeilen sind wahrscheinlich
ein Abschiedsgruß – Es steht in Ihrer Macht
mich noch recht innig zu erfreuen u es wird
Ihnen künftig vielleicht eine wohlthuende
Erinnerung seÿn es gethan zu haben. Noch
Einmal lassen Sie sich meiner Ida zur freundlichen
Aufnahme empfohlen seÿn u nehmen Sie

den Herzensgruß den sie Ihnen überbringt
liebevoll auf.
Ihre
alte treue Freundin
Fannÿ Tarnow.