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Brief von Fanny Tarnow an Amalia Schoppe

Dresden, [zwischen dem 22. und 30.] September 1820
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 241 Tarnow Fanny, Bl. 77-78 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Fanny Tarnow
Empfänger/-in
Amalia Schoppe
Datierung
zwischen dem 22. und 30. September 1820
Absendeort
Dresden
Empfangsort
Hamburg
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 130 mm; Höhe: 190 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche und Transkription durch Renata Dampc-Jarosz; Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Betty Brux-Pinkwart; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „77r“

77

[Karl August Varnhagen]Fanny Tarnow an Amalia Schoppe.
An Amalia Schoppe.
Dresden. Im September 1820.


Ich hätte nicht geglaubt Ihnen noch je wieder schreiben
zu können u zu mögen, allein die Nachricht von Ihrer
Wiedervereinigung
mit Ihrem Gatten hat mir eine
Theilnahme eingeflößt, die mich bewegt Ihnen zu
antworten. Gott gebe Ihnen Frieden in dem neu
angeknüpften Verhältniß! Wie Sie bis jetzt waren,
konnten Sie so wenig glücklich seӱn, als glücklich machen;
allein Ihnen fehlt der Sinn nicht für das Gute u nur
die unklare Leidenschaftlichkeit Ihres Wesens hüllte
bisher Sie, Ihre Verhältnisse u das bessre in Ihnen
in jene dunkle Verworrenheit, die Ihnen das Mit-
[leid] edler Menschen erhielt, aber keine Achtung für Sie
Daure
aufkommen ließ. Dieser Mangel an Achtung
war es, der von meiner Seite unser Verhältniß
lösete – Sie zwingen mich Ihnen das unverholen auszu-

sprechen – allein ich glaube, daß Sie sich muthig aus Ihrer
Verworrenheit emporreissen können, u ich hoffe auch
daß Sie es wollen – u wahrlich meine Theilnahme
daran ist rein u herzlich. –
Was sich in Ihrem Briefe auf mich bezieht verdient
eigentlich keine Beantwortung; aber ich fühle daß es, wenn
gleich in gar seltsamer Täuschung von Ihrer Seite
gut gemeint ist u darum erwidre ich darauf, daß die
Frau
deren Sie in Ihrem Briefe erwähnen, von allen

besseren so gemieden, geflohen u verachtet ist, daß
keine Art der Gemeinschaft zwischen ihr u mir statt
finden darf; die Gemeinheit ihres Sinnes u ihres

Seite „77v“

Thuns hat mir einen eben so tiefen als unauslösch-
lichen Ekel bei näherer, persönlicher Bekanntschaft
eingeflößt u wenn eine edle Natur nicht das Recht
behaupten dürfte die Gemeinheit entschieden
ferne von sich zu halten, so müßte in der sittlichen
Welt kein Adel mehr gelten. Gehoben u beglückt
durch die Verehrung u Liebe der besseren meiner
Zeitgenossen, sind mir auch hier die Herzen mit
Liebe n Herzlichkeit entgegen gekommen – ich
habe in der sächsischen Schweiz einen himmlisch
schönen Sommer verlebt u lerne hier in Dresden
jetzt das Leben in einem Reichthum geistigen Genusses
kennen, wie es sich mir früher nie offenbarte.
Ich wohne niedlich, habe mich einfach, aber sauber einrichten
können u jetzt das Ziel meiner Wünsche, einen [eigenen]
Heerd u eine eigne Wirthschaft erreich[t], kurz ich
kann nicht dankbar genug gegen Gott seÿn, der
mir meine Wünsche für die Gestaltung des
äußern Lebens u für den Frieden des inneren
so väterlich erfüllt hat.
Seÿn Sie glücklich u machen Sie glücklich! mit diesem
Wunsch scheide ich von Ihnen – er kommt aus einem
reinen u wahren Herzen das mit dem Gedanken
an Gott vertraut, nie u in keinem Verhältniß
den prüfenden Blick des Menschenkenners
zu scheuen braucht u seinen eignen Werth zu
achten und zu bewahren weiß.
Fannÿ.
Ihren Brief vom 10ten August
habe ich erst d 22sten September
erhalten. –

Seite „78r“

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No 1
An
die Frau Doctorin Schoppe
ge: Weise
in
Hamburg
Dienerreihe
No 25.