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Brief von Charlotte von Ahlefeld an Sophie Mereau-Brentano

o. O., 25. Juli 1805
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 1 Ahlefeld Charlotte von, Bl. 54-55 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Charlotte von Ahlefeld
Empfänger/-in
Sophie Mereau
Datierung
25. Juli 1805
Absendeort
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 115 mm; Höhe: 190 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Renata Dampc-Jarosz; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „54r“

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[Karl August Varnhagen]Lotte
Ich habe gestern deinen Brief erhalten, und schon
heute schreib ich dir wieder, um mich zu recht-
fertigen in deinen Augen. Ich bin seit wir
gemeinschaftlich Weimar verließen, nicht
wieder dorthingekommen. Schon dies allein
widerlegt die ungereimte Nachricht, daß ich
mit Kälte deiner erwähnt haben sollte.
Ich dank dir, daß du den Glauben an
meine Liebe nicht verlohrst. Sie ist ewig,
und keinem Umstand unterworfen.
Einen Brief habe ich von dir früher durch
Einschluß von Kiel aus erhalten, der
aber, den du sagst, mir aus Frankfurth
geschrieben zu haben, muß verlohren
gegangen seyn. Ich schwieg, weil eine
Dumpfheit des Geistes, eine Schwermuth
des Herzens auf mir lastete, die sich
sehr natürlich meinen Briefen mittheilt,
und ich wollte dein schönes, heitres Leben

Seite „54v“

nicht ohne Klagen darüber, an denen du, ich
weiß es, innig Antheil genommen hättest:
Einige Monate habe ich den größten Theil meiner
Verwandten, und die Familie Mellish bei
mir gehabt, die sich von hier nach Eng-
land einschifften, aber bald zu mir
zurückkommen werden. Übrigens habe
ich sehr still gelebt, und es umgiebt mich
eine Einsamkeit, die so tief ist, daß
ich anfange, menschenscheu zu werden,
und die wenigen Zerstreuungen zu
fliehen, die sich mir noch hie und da
anbieten. Meine Kinder machen mein
einziges Glück aus. Sie werden gut
und zeugen mit herzlicher Liebe von
mir.
Über deinen neuen Verlust kann ich dir nichts
sagen
. Ich fühl aber tief, wie schmerzhaft
er dir gewesen seyn muß. Was macht

Seite „55r“

55

Hulda? Ich habe oft auch an sie gedacht, denn dein
Andenken ist nie in mir erloschen. Künftig
will ich fleissiger schreiben. Ich will zu über-
winden suchen, was mich immer davon ab-
hält, diese innerliche Scheu vor dem Aus-
sprechen meines Kummers, und diese
Abneigung vor dem schreiben.
Von unserm ehemaligen Cirkel weiß ich
wenig. Majer zürnt auf mich, weil ich
Brentano achte, und beschuldigt mich ohne
Grund, daß ich diesem den Brief geswie-
sen hätte, den er mir von Gera aus schrieb.
Ich habe nichts gethan, ihn zu versöhnen.
Ich hielt ihn für besser, als er ist, und find
so viel Eitelkeit, wo ich anfangs Anspruch-
losigkeit zu finden glaubte, daß er in mei-
ner Meinung gesunken ist. Bist du
vielleicht noch mit ihm in einer Art von Zu-
sammenhang, oder ist sein Unwille auf
B. auch auf dich übergegangen?

Seite „55v“

Tieck
ist jezt in Italien. Aus München erhielt
ich seinen lezten Brief. Sein Bruder, der
wieder sehr an der Gicht leidet, reist mit ihm.
Die Voigt schreibt nur zu weilen. Sie ist
noch wie sie war. Ihre unglückliche Reiz-
barkeit und der Hang zu Intriken,
dem nur ihre Neigung, aber nichts wei-
ter an ihr günstig ist, wird sie noch
vor der Zeit aufreiben.
Schreibe mir bald, und viel von deinem
häuslichen Leben, und allem, was dir noch
am Herzen liegt. So wenig weiß ich
von dir, daß das oft den Umgang stört,
den meine Gedanken mit dir pflegen
wollen. Grüß Brentano, wenn er
sich meiner noch erinnert, und Hulda.
auch, und liebe immer
deine treue Lotte.
den 25stenJuly
1805