Brief von Charlotte von Ahlefeld an Helmina von Chézy
Weimar, 9.–10. April 1847
Seite „32r“
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[Karl August Varnhagen]Charlotte von Ahlefeld
an Fr. v. Chézy.
Weimar den 9ten April 47.
Meine liebe theuere Helmina, in zwei oder drei Tagen
reiset der Sohn meiner Nichte
ist ein Engländer, der sich hier in der Nähe angekauft
und den deutschen Adel bekommen hat) nach Heidelberg.
Er will diesen Brief, der noch ein ungeborenes
Kind ist, bei mir abholen; ich eile daher Ihnen zu
schreiben, u. begrüsse aus der Fülle meines Ihnen
treu ergebenen Herzens. Ich habe auch Maltiz aufge-
fodert durch diese gute Gelegenheit an Sie zu
schreiben, denn ob ich gleich weiß, daß die Post
ihm immer offen steht, so bedarf es doch eines mo-
ralischen Rippenstoßes, um ihn an den Schreibtisch
zu bringen. Ich seh ihn übrigens selten, u. er war
oft diesen Winter unwohl. Nun zu Ihrem lieben
Brief. Mit welchem warmen Antheil u. tief be-
wegtem Herzen habe ich gelesen, was ich vorher nicht
für möglich hielt, denn ach, so viel geliebte Gräber
haben sich mir geschloßen, so manches Herz das mich
liebte ist im Staub versunken, aber Keines gab
mir ein Zeichen aus jener Welt, mir den geistigen
Zusammenhang zwischen dort und hier tröstlich zu
verkünden. Sie sind eine Hochbegnadigte, daß
es bei Ihnen geschehen, und gönnte ich Ihnen nicht alles
Gute in der Welt, so würde ich Sie beneiden.
Theilen Sie mir doch ferner mit, was Ihnen
von dem unsichtbaren oder vielmehr unerhörten
reiset der Sohn meiner Nichte
, Karl v. Parrÿ (sein Vater
ist ein Engländer, der sich hier in der Nähe angekauft
und den deutschen Adel bekommen hat) nach Heidelberg.
Er will diesen Brief, der noch ein ungeborenes
Kind ist, bei mir abholen; ich eile daher Ihnen zu
schreiben, u. begrüsse aus der Fülle meines Ihnen
treu ergebenen Herzens. Ich habe auch Maltiz aufge-
fodert durch diese gute Gelegenheit an Sie zu
schreiben, denn ob ich gleich weiß, daß die Post
ihm immer offen steht, so bedarf es doch eines mo-
ralischen Rippenstoßes, um ihn an den Schreibtisch
zu bringen. Ich seh ihn übrigens selten, u. er war
oft diesen Winter unwohl. Nun zu Ihrem lieben
Brief. Mit welchem warmen Antheil u. tief be-
wegtem Herzen habe ich gelesen, was ich vorher nicht
für möglich hielt, denn ach, so viel geliebte Gräber
haben sich mir geschloßen, so manches Herz das mich
liebte ist im Staub versunken, aber Keines gab
mir ein Zeichen aus jener Welt, mir den geistigen
Zusammenhang zwischen dort und hier tröstlich zu
verkünden. Sie sind eine Hochbegnadigte, daß
es bei Ihnen geschehen, und gönnte ich Ihnen nicht alles
Gute in der Welt, so würde ich Sie beneiden.
Theilen Sie mir doch ferner mit, was Ihnen
von dem unsichtbaren oder vielmehr unerhörten
Ich male mir oft eine Traubenkur in Heidelberg aus. Wie
wohl würde mir diese thun. Wann reifen denn in diesem
milden Klima die Trauben? Frankiren Sie nicht.
wohl würde mir diese thun. Wann reifen denn in diesem
milden Klima die Trauben? Frankiren Sie nicht.
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Begegnen Ihres lieben Max vorkommt. Ihren gerechten
Unwillen gegen die Schoppe, die durch ihre schlechten
Aeußerungen Maxens schwachen Glauben noch mehr
wankend zu machen suchte, theile ich, obschon ich
überzeugt bin, Gott wird es ihm nicht entgelten
lassen, daß er nicht in der Religion einen Trost
in seinen Leiden zu finden suchte. Ursprünglich
gut und edel liegt eine solche Verirrung vom
rechten Wege in der menschlichen Schwäche
die sich so leicht hinreißen läßt, besonders
wenn die Gabe der Rede dem zu Gebot steht, der
den Besserdenkenden zu seinen Ansichten ver-
führen will. Diese Schoppe ist mir eine sehr
verächtliche Kreatur, und ich habe sie behandelt
wie die Tarnow, als ich in den schlechten Karakter
der lezteren in ihrem Undank gegen Sie
einsah. Mündlich – Sie sehn, ich gebe die Hoff-
nung unseres Wiedersehens nicht auf – werde
ich Ihnen Handlungen von ihr mittheilen, die
Ihnen unbegreiflich vorkommen werden, weil
Sie unfähig sind auch nur die kleinste dieser
Schlechtigkeiten zu begehen.
Unwillen gegen die Schoppe, die durch ihre schlechten
Aeußerungen Maxens schwachen Glauben noch mehr
wankend zu machen suchte, theile ich, obschon ich
überzeugt bin, Gott wird es ihm nicht entgelten
lassen, daß er nicht in der Religion einen Trost
in seinen Leiden zu finden suchte. Ursprünglich
gut und edel liegt eine solche Verirrung vom
rechten Wege in der menschlichen Schwäche
die sich so leicht hinreißen läßt, besonders
wenn die Gabe der Rede dem zu Gebot steht, der
den Besserdenkenden zu seinen Ansichten ver-
führen will. Diese Schoppe ist mir eine sehr
verächtliche Kreatur, und ich habe sie behandelt
wie die Tarnow, als ich in den schlechten Karakter
der lezteren in ihrem Undank gegen Sie
einsah. Mündlich – Sie sehn, ich gebe die Hoff-
nung unseres Wiedersehens nicht auf – werde
ich Ihnen Handlungen von ihr mittheilen, die
Ihnen unbegreiflich vorkommen werden, weil
Sie unfähig sind auch nur die kleinste dieser
Schlechtigkeiten zu begehen.
Sie fragen nach den Meinigen, meine theure
Freundin, und ich will Ihnen Auskunft geben, ob-
gleich ich es ungern thue, denn es ist ein
weher Punkt, und man schont ja den Finger
Freundin, und ich will Ihnen Auskunft geben, ob-
gleich ich es ungern thue, denn es ist ein
weher Punkt, und man schont ja den Finger
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Meine beiden ältesten Söhne
, gut von Herzen, redlich
und treu, und mit wahrhaft kindlicher Liebe an mir
hängend, heiratheten früh nach ihrer Neigung mit
der Bewilligung ihres Vaters, welcher wünschte
daß jeder ein Gut von ihm in Pacht nehmen möge.
Er versprach ihnen billige Bedingungen und nach
einigen Jahren Erleichterung des Pachtes
. Nichts von
allem dem hat er gehalten. Die ganze Gegend
in Hollstein weiß, wie er sie vieltheurer
gesetzt hat, als andere Pachter, wie er ihnen un-
brauchbares Vieh u. Geschirr zu enormen
Preisen angerechnet, und, wenn sie lieber re-
signiren, als sich so wollten betrügen lassen,
ihnen mit Enterbung gedroht hat. Sie mußten
also ihr Joch tragen, und Mißwachs, Hagel-
wetter, und sonstiger Schaden der die Hoff-
nungen auch des redlichsten u. fleißigsten
Landmannes vereiteln kann, vermochte nicht
ihnen Erlaß in solchen Fällen zu geben.
Sie mußten also borgen, um den Wüthrich
nur zu befriedigen, der diese im Schweiß
der Angst zusammen gebrachten Zahlungen nahm
um sie in seinem Serail auszutheilen, was
aus den Mägden seiner verschiedenen
Wirthschaften besteht. Auch wurde er von die-
sen sehr bestohlen, und von vielen Anderen
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schrecklich betrogen. Da er oft Leute mißhandelte
die ihn dann verklagten, so kam er nicht aus
den Prozessen heraus. Die unehelichen Kinder
die er hatte, oder die ihm wenigstens aufge-
bürdet wurden, mußten auch versorgt werden, und die
Väter seiner Creaturen ließen sich die Verschwiegen-
heit über seine geheimen Laster theuer bezahlen, ohne sie
zu halten, doch genug von diesen Gräueln! Nun
lebten meine beiden Söhne
aber der Vater verbitterte ihnen auch dies durch Zu-
muthungen, die sich kein anderer Pachter gefallen läßt
u. hatten sie einmal an etwas ihre Freude oder glaub-
ten Nutzen davon zu ziehen, so mußten sie es her-
geben. Der eine hat 8, die andere 9 Kinder
diese gewissenhaft u. gut zu erziehen, macht große
Ausgaben nöthig. So wuchsen ihre Schulden bei der
einfachsten Lebensweise und dem redlichsten Bestreben,
fern von Luxus und Überfluß aus zu kommen, und der
Druck ihrer Verhältnisse wird immer schwerer. Wie
viel könnte ich noch hinzu fügen, aber ich verschone
Sie, u. mich. Mein inniges Vertrauen können Sie schon
aus dem Vorhergehenden erkennen. Es braucht nichts
weiteres. Als sich mich nun, auf sein Ansinnen, (denn
um der Kinder willen, ertrug ich gränzenloses Lei-
den an der Seite eines solchen Scheusals) von ihm
trennte, war ich krank, matt, zerschlagen von un-
verschuldeten u. unverdienten Elend, und unfähig
Bedingungen zu machen, wie ich sie wohl hätte ma-
chen können, da er mir nichts Strafbares vorwer-
fen konnte. Die einzige, von der ich nicht
die ihn dann verklagten, so kam er nicht aus
den Prozessen heraus. Die unehelichen Kinder
die er hatte, oder die ihm wenigstens aufge-
bürdet wurden, mußten auch versorgt werden, und die
Väter seiner Creaturen ließen sich die Verschwiegen-
heit über seine geheimen Laster theuer bezahlen, ohne sie
zu halten, doch genug von diesen Gräueln! Nun
lebten meine beiden Söhne
zwar häuslich glüklich
aber der Vater verbitterte ihnen auch dies durch Zu-
muthungen, die sich kein anderer Pachter gefallen läßt
u. hatten sie einmal an etwas ihre Freude oder glaub-
ten Nutzen davon zu ziehen, so mußten sie es her-
geben. Der eine hat 8, die andere 9 Kinder
. Die Pflicht
diese gewissenhaft u. gut zu erziehen, macht große
Ausgaben nöthig. So wuchsen ihre Schulden bei der
einfachsten Lebensweise und dem redlichsten Bestreben,
fern von Luxus und Überfluß aus zu kommen, und der
Druck ihrer Verhältnisse wird immer schwerer. Wie
viel könnte ich noch hinzu fügen, aber ich verschone
Sie, u. mich. Mein inniges Vertrauen können Sie schon
aus dem Vorhergehenden erkennen. Es braucht nichts
weiteres. Als sich mich nun, auf sein Ansinnen, (denn
um der Kinder willen, ertrug ich gränzenloses Lei-
den an der Seite eines solchen Scheusals) von ihm
trennte, war ich krank, matt, zerschlagen von un-
verschuldeten u. unverdienten Elend, und unfähig
Bedingungen zu machen, wie ich sie wohl hätte ma-
chen können, da er mir nichts Strafbares vorwer-
fen konnte. Die einzige, von der ich nicht
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mußte, der, sein Liebling, schon so entsetzlich ver-
zogen war, daß – wenn nicht Einhalt gethan worden
wäre – ein Unthier aus ihm geworden wäre. Um
mich zu zwingen, von meinem Begehren abzugehen,
bot er mir Geld auf Geld – da ich ihn aber nicht ver-
kaufen wollte, so mußte ich mit 500 rth. jährlich zufrie-
den seyn, und mich dafür anheischig machen, ihn bis
zu seinem 16ten Jahr ohne alle Unterstützung von sei-
ner Seite zu erziehen. Ich habe es ihm auch an nichts
fehlen lassen, u. muß Gott danken, daß er wenig-
stens ein rechtlicher Mensch geworden ist, der sich durch
seine Kenntniße allenfalls forthelfen kann. Er ist
Legationssecretair bei der dänischen Gesandt-
schaft in Paris. Nun aber bin ich dieser Erinnerun-
gen aus dem Schlamm des Lebens so überdüssig,
daß ich davon aufhören muß. Sie sehen aus all-
em diesem, wie ich dazu komme, mich sehr
in allem behelfen zu müssen, denn die 500 rth
jährlich reichten nicht hin, alles zu bestreiten, und
ich mußte auch borgen, woran ich noch für den
Rest meiner Tage abzuzahlen habe. Doch würde
mich der Gedanke, des Sohnes wahres Wohl
so wie seine Erziehung vernachläßigt zu haben,
mehr drücken als diese Schulden, die ich mit
gutem Gewissen verantworten kann.
Sie malen mir, geliebte Freundin, einen Auf-
enthalt in Heidelberg so lockend vor, daß ich
schmerzlicher den leeren Beutel fühle, als vor-
her. Indeß wer weiß, was geschieh, wiewohl
enthalt in Heidelberg so lockend vor, daß ich
schmerzlicher den leeren Beutel fühle, als vor-
her. Indeß wer weiß, was geschieh, wiewohl
[Charlotte von Ahlefeld]Die Schwendler hat 3 Kinder, 2 Söhne
Eine Menge Kinder hat sie als sie noch ganz klein waren,
verloren.
u. eine Tochter.
Eine Menge Kinder hat sie als sie noch ganz klein waren,
verloren.
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ich noch jezt nicht weiß, wie? oder wann? was al-
les nicht in meiner Unschlüssigkeit, sondern in
meinen Finanzen liegt. Auf keinen Fall würde
ich wohl eher als im Spätsommer oder Herbst auf
einige Wochen kommen können, und verzichte schon
jezt auf die mir angebotene freundliche Wohnung
um Sie von dem Benutzen derselben nicht abzuhal-
ten. Kann ich kommen so findet sich leicht für
mich ein Stübchen in einem Wirthshaus, wo
sich ein Accord abschließen läßt, wie ich es
früher in Dresden hatte, wo mir ein Aufenthalt
nicht theuer kam. Fürs erste werde ich die er-
sten Monate einer beßern Jahreszeit in Jena
verleben, wo mich eine Jugendfreundin, die
Wittwe Knebels, eingeladen hat, ein Zimmer
in ihrem Hause einzunehmen, das ländlich liegt,
u. einen großen Garten hat. Aus diesem führt
ein kleines Brückchen in’s Paradies. So
heißt der beste Spaziergang Jena’s bestehend
aus langen schönen Alleen auf grünen Rasen-
plätzen, und von der Saale wie mit einem
silbernen Bande eingefaßt, wo sich dann
jenseits des Flußes Wiesen und Felder u.
Dörfer, u. dahinter schöne Bergketten erheben.
Was des Lebens Nahrung u. Nothdurft erfordert
schaffe ich mir selbst, denn meine Freundin
hat nicht viel mehr als ich. Ich werde da
les nicht in meiner Unschlüssigkeit, sondern in
meinen Finanzen liegt. Auf keinen Fall würde
ich wohl eher als im Spätsommer oder Herbst auf
einige Wochen kommen können, und verzichte schon
jezt auf die mir angebotene freundliche Wohnung
um Sie von dem Benutzen derselben nicht abzuhal-
ten. Kann ich kommen so findet sich leicht für
mich ein Stübchen in einem Wirthshaus, wo
sich ein Accord abschließen läßt, wie ich es
früher in Dresden hatte, wo mir ein Aufenthalt
nicht theuer kam. Fürs erste werde ich die er-
sten Monate einer beßern Jahreszeit in Jena
verleben, wo mich eine Jugendfreundin, die
Wittwe Knebels, eingeladen hat, ein Zimmer
in ihrem Hause einzunehmen, das ländlich liegt,
u. einen großen Garten hat. Aus diesem führt
ein kleines Brückchen in’s Paradies. So
heißt der beste Spaziergang Jena’s bestehend
aus langen schönen Alleen auf grünen Rasen-
plätzen, und von der Saale wie mit einem
silbernen Bande eingefaßt, wo sich dann
jenseits des Flußes Wiesen und Felder u.
Dörfer, u. dahinter schöne Bergketten erheben.
Was des Lebens Nahrung u. Nothdurft erfordert
schaffe ich mir selbst, denn meine Freundin
hat nicht viel mehr als ich. Ich werde da
Seite „35r“
35
liebe wohlwollende Freunde und Bekannten
mich mit ihren Besuchen überhäufen. Ändern
kann ich dies nicht, denn sie meinen es alle
so gut, und streben darnach mein dürftiges Leben
mit Blumen heiterer Unterhaltung zu schmücken.
Alle Abende bin ich aus, u. in einer Reihe von
Häusern stets willkommen, was sehr zu
meiner Erholung beiträgt, u. da ich – nach stren-
gen Grundsätzen mich einschränkend – Nie-
mand zu mir einlade, weil ich es nicht kann,
so muß ich wenigstens diese Besuche dulden
die mir die Morgen meist hinwegnehmen.
Den 10ten April. Wie gewöhnlich nahmen Störungen
mir gestern die Feder aus der Hand, und ich ergrei-
fe sie heute wieder, um diesen Brief bereit zu
halten, wenn er abgeholt wird. Wenn Sie mir
wieder schreiben, was hoffentlich bald geschieht,
so bitte ich, mir doch ein Verzeichniß bei zu
legen von allem dem, was Sie herausgege-
ben haben. Unter meine herbsten Entbehrungen
gehört, daß ich mir keine Bücher kaufen kann.
Sonst würde ich alles was aus Ihrer Seele floß
um mich versammeln. Norika
habe ich mir
voriges Jahr angeschafft, obgleich es nicht für meine Zwecke
paßte, da ich – wie ich Ihnen gewiß schon gesagt habe
– die schönen Salzburger u. Gasteiner Gegenden
nur durchflog, ohne rechts und links, wie so er-
freulich gewesen wäre, Excursionen in die Thäler
u. Bergschluchten zu machen, die mir oft so ge-
Seite „35v“
heimnisvoll winkten. Gott behüte jeden, der abhän-
gig ist, von einem Reisegefährten, wie ich ihn in
meinem Bruder fand. – Wenn Sie Karl v. Parrÿ
einigen Zutritt zu sich erlauben, so werden Sie
ein gutes Werk thun. Er hat viel Verstand, und
ist gutmüthig; aber ich fürchte, die so ganz frühe
Selbstständigkeit, die man ihm gewährte, hat
seinem Innern eine Richtung gegeben, die nicht
vortheilhaft ist. Der Schwendler sagte ich noch ge-
stern, daß eine gute Gelegenheit da sei, Ihnen
zu schreiben. Ich weiß nicht ob sie es thun wird.
Ich habe allen näheren Umgang mit ihr abgebrochen.
Sie ist eine Lügnerin erster Größe, und dafür allge-
mein hier bekannt. Ihr edler Sinn meine ge-
liebte Freundin u. Ihre reine Fantasie hat sie
mit Eigenschaften geschmückt, die Sie sehr ver-
missen würden, stünden Sie ihr nahe, u. könn-
ten Sie ihre Reden u. ihr Betragen beobachten.
Das hinfällige Alter daß sie dem Rand des Gra-
bes so nahe führte, hat sie matter aber nicht
beßer gemacht. – Ich bekam zu Neujahr dies
Gedicht aus Hollstein, weiß aber nicht von wem
es ist, denn ich sollte es erst dann erfahren
wenn ich meine Meinung darüber ausgesprochen hätte.
Dazu ist es noch nicht gekommen, aber es gefällt mir.
Es hat eine praktische Derbheit, die uns auf den besten
Weg weist, den wir betreten können. Ich muß
nun schließen, und umarme Sie in Gedanken in treuer
Liebe. Schreiben Sie bald u. viel Ihrer CvA.
gig ist, von einem Reisegefährten, wie ich ihn in
meinem Bruder fand. – Wenn Sie Karl v. Parrÿ
einigen Zutritt zu sich erlauben, so werden Sie
ein gutes Werk thun. Er hat viel Verstand, und
ist gutmüthig; aber ich fürchte, die so ganz frühe
Selbstständigkeit, die man ihm gewährte, hat
seinem Innern eine Richtung gegeben, die nicht
vortheilhaft ist. Der Schwendler sagte ich noch ge-
stern, daß eine gute Gelegenheit da sei, Ihnen
zu schreiben. Ich weiß nicht ob sie es thun wird.
Ich habe allen näheren Umgang mit ihr abgebrochen.
Sie ist eine Lügnerin erster Größe, und dafür allge-
mein hier bekannt. Ihr edler Sinn meine ge-
liebte Freundin u. Ihre reine Fantasie hat sie
mit Eigenschaften geschmückt, die Sie sehr ver-
missen würden, stünden Sie ihr nahe, u. könn-
ten Sie ihre Reden u. ihr Betragen beobachten.
Das hinfällige Alter daß sie dem Rand des Gra-
bes so nahe führte, hat sie matter aber nicht
beßer gemacht. – Ich bekam zu Neujahr dies
Gedicht aus Hollstein, weiß aber nicht von wem
es ist, denn ich sollte es erst dann erfahren
wenn ich meine Meinung darüber ausgesprochen hätte.
Dazu ist es noch nicht gekommen, aber es gefällt mir.
Es hat eine praktische Derbheit, die uns auf den besten
Weg weist, den wir betreten können. Ich muß
nun schließen, und umarme Sie in Gedanken in treuer
Liebe. Schreiben Sie bald u. viel Ihrer CvA.