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Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

Winterhude, 28. Mai 1829
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 134 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
28. Mai 1829
Absendeort
Hamburg
Empfangsort
Hamburg
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 210 mm; Höhe: 260 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „134r“

134

Assing
Meine theure Rosa!

Erst spät komme ich heute mit meinem Glückswunsche und der kleinen, denselben
begleitenden Gabe, die Dir einige Freude machen möge. Die diese Blumen-
vasen begleitenden Kinder der Flora sind alle meine eigenen Zöglinge
und manche ward zu diesem Tage
geschont und aufgespart.

Es war meine Absicht, Dir das Alles selbst zu bringen, aber einige angeschwol-
lene Drüsen, die selbst im Innern des Halses wieder eine leichte Entzün-
dung hervorgerufen haben, halten mich von einer Wasserfahrt ab, und
zu Fuß mag ich nicht gehen, weil mich der doppelte Weg sehr angreifen
würde: so nimm denn für heute mit dem schriftlichen Worte für-
lieb!

Du hast mich durch Deine Weigerung um eine große Freude gebracht,
denn wie glüklich wäre ich gewesen, Dich bei mir zu sehen! Wenn
aber das Wetter Sonntag gut ist, willst Du dann mit Deinen
Lieben kommen, und recht früh? Die Kinder müssen ja doch
den Frühling in seiner ganzen Pracht sehen, und in wenigen
Tagen blüht kein Baum mehr: nie noch sah ich eine solche
Blüthenpracht, als in diesem Jahre, nie den Lenz so hold, so
reich geschmückt. Vielleicht erscheint er aber nur mir so, nach
dem trüben, schrecklichen Winter. Ich habe Gott schon mehrere
Male unter stillen Thränen für die Schöne seiner Natur danken
müssen, und daß ich noch lebe und sie empfinden und genießen
kann. Alles Leben in mir ist so mächtig angeregt, jede geistige
Kraft auf eine fast wunderbare Weise in mir erhöht, als wäre
es auch noch einmal in meinem Innern Frühling geworden; trun-
kener vor Glück und Wonne war ich vor 21 Jahren nicht, als ich Dich
zuerst kennen lernte: wo das hinaus will, weiß ich nicht?

Theure, liebe Rosa, und daß wir noch jetzt so neben einander
stehen, in Lieb und Würdigkeit, welch ein unaussprechliches
Glück! Das Leben rauschte mit seinen bunten, wechselnden
Erscheinungen an uns vorüber, aber uns nahm der brausende,

Seite „134v“

für Viele so verderbliche Strom nichts – er gab uns nur! Das
Alles, und solcherlei Betrachtung jeglicher Art, macht mich so froh,
so gerührt oft, und so dankbar gegen Gott, der meinem Herzen
gegenwärtiger denn je ist.

Liebste Rosa, was soll ich Dir wünschen zu diesem Tage, das
ich Dir nicht an jedem Tage meines Lebens wünschte? Es
sei alles Schöne und Gute Dir stets nahe, wie es Dir jetzt
ist.

Grüße Deinen Assing, küsse die Kinder in meinem Namen und
behalte mich lieb.

Ob Ihr Sonntag kommt, erfahre ich wohl durch Seitz,
dem Du ja
nur, und sobald als möglich, auf irgend eine Weise darüber
Bescheid sagen lassen kannst, und der es mir treulich bestel-
len läßt. Natürlich erwarte ich Euch zum Mittagsessen und
setze die Zeit zu diesem auf 2 Uhr an, wenn Du nicht
wegen Assings eine andere bestimmst.
Einmal können die Kinder gewiß bequem den Weg machen,
nämlich in der Abendkühle, und am Thore sind die Wagen,
der Chaussen wegen, jetzt so billig hieher.
Julius ist vollkommen wohl wieder, wofür ich Gott danke.

Mutter und Kinder grüßen Dich herzlich.

In Liebe
Deine Amalia.
Winterhude d. 28tn Maÿ
1829.