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Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

Hamburg, 30. Juli 1817
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 98 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
30. Juli 1817
Absendeort
Hamburg
Empfangsort
Hamburg
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 120 mm; Höhe: 195 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „98r“

98

Assing
Hamb. d. 30ten Jul. 1817.

Theure Rosa!

Ich weiß mir heute nicht anders zu helfen, als daß ich Dir einige
Worte schreibe da ein seltsames und trauriges Geschick fern von
Euch mich hält. Ich bin recht innerlich zerrissen und darf es
zum Theil auch sein – aber das soll nicht in Euren Sonntag
hinüber klingen und dringen. –
Du, Geliebteste, willst meine Stelle beim Kinde vertreten
und das kann ja auch Niemand so recht als Du, der ich seit
langen Jahren gleich zu werden strebte: Dank Dir für
die Zartheit die es begriff, wie nur dies mich mit dem
trüben Geschick des Tags aussöhnen konnte!
Nach guter alter Sitte band die Gevatterinn das Pathchen
durch irgend etwas an – da sah ich mich unter meiner
Habe umher und finde nichts als einige Bücher die des
Empfanges werth sind – so bestimme ich dem Kindchen
Herders zerstreute Blätter in der Ausgabe von 6 Bänden

die es von mir aber selbst erhalten soll, wenn es die
erste Fibel bekömmt: es wird so der Anfang mit
dem Ende der Kunst zusammenstehn. –
Unter den wachen Träumen dieser Nacht waren auch fol-
gende Worte:
Ja, fern von Euch da fühl ich’s erst recht helle:
Der gute Geist weilt an der guten Stelle,
Auch läßt er dann sich erst recht auf uns nieder,
Wenn zwei versammelt sind der Bundesbrüder.
Heute, Vieltheure, wird Euch dieser gute Geist nicht
fehlen – er komme ganz über Euch und Euer Kind!
Mir ist als müßte ich niederknien unter Euch und
beten, so recht herzinnig beten und bitten, daß
Gott uns in dem Kinde einen wahren Menschen
und Christen bescheeren möge. Liebe Rosa, und
guter bester Assing – unsre beiden Karle sollen
Menschen werden und Christen – ich schwöre Euch
das und will es halten bei meinem, so lange
ich athme – und Ihr? seh ich nicht ein feierliches
Amen in Euren Zügen? Gott mit Euch!
Eure Amalia.–

Seite „98v“

Lies doch, allerbeste Rosa, wenn Du Zeit und Laune –
nein, Begeisterung fühlst, in dem herrlichen Buche.
Ich lege meinen Brief in den Gesang auf einen
Tauftag, den ich mit wahrer Erbauung las, und
Dir wird es eben so gehn.
Assing bringt es mir bei Gelegenheit wieder
mit, denn ich lese viel darin, besonders Abends.
und Morgens.
Auch beim Aufblick zum Himmel bedürfen
wir schöner Formen – das Gemeine zieht
diesen selbst als graue Wolke herab – so
lese ich diese Gesänge gerne. –
A.–