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Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

Burg auf Fehmarn, 28. Mai 1817
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 97 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
28. Mai 1817
Absendeort
Burg auf Fehmarn
Empfangsort
Hamburg
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 197 mm; Höhe: 235 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Erstdruck: Thomsen, S. 140–142.

Seite „97r“

97

zum 28ten Maÿ 1817. Burg, Insel Fehmarn.

Theure, vielliebe Rosa!

Noch darf die Freundinn nicht in Deine Arme eilen, Dir den Festtagsgruß auf die Lippen zu
drücken, aber ehe die Mondesscheibe sich wieder füllt bin ich bei Dir, um Dir zu sagen,
daß ich Dich unbeschreiblich liebe und diesen Tag
in der Ferne mit gerührtem Herzen
feierte. –
Das beifolgende Häubchen ist für die kleine Schwiegertochter von der Schwiegermama eigenhändig
gestickt und wird in dieser Beziehung einigen Werth für meine zarte liebende Rosa haben.
Alle meine Gedanken sind jetzt zu Euch hingerichtet, und mit Gewalt muß ich mich zu der
Arbeit zwingen die mir hier noch obliegt; wie die Seeligen im Himmelreich möchte ich
die Hände in den Schooß legen und nur einzig an das Glück denken, dem ich jetzt
entgegen zu gehen hoffe. –
Meine Sachen stehn auch alle gepackt, um mit dem ersten Schiffe abzugehn, und sind
die erst fort, so folge ich gleich. – Adalbert spricht auch schon viel von Dir und Hamburg,
von dem er freilich nichts weiß, als daß es an der Elbe liegt und Du und der Vater,
so wie die Großeltern dort sind. –
Meine Wohnung soll passend und allerliebst sein; drei neu tapezierte Zimmer, neu
ausgemalt, Vorplatz, Küche, Schlafstelle für’s Mädchen etc. etc. recht wie es für
uns drei Menschen paßt; ich werde an der Mühlenbrücke Nor 140 wohnen
wo Du S.’s Namen an der Thüre findest.
Schuppe versichert mit den heiligsten Schwüren, daß er mich glüklich machen will – für
mich fürchte ich das Leben auch nicht mehr, denn habe ich nicht seinen bittersten Kelch
geleert? aber mein Kind muß ich versorgt und glüklich wissen, ich muß über seine
Erziehung und seinen Unterricht beruhigt sein – hier könnte das nicht geschehn, daher
muß ich den Versicherungen des Vaters trauen, der verspricht, ihn nach meinem Wun-
sche zu erziehn. Ueberhaupt, beste Rosa, bin ich dann doch bei Euch, und warum sollte
auch ich nicht hoffen, die Segnungen einer glüklichen stillen Ehe zu genießen, nach de-
nen mein Herz Verlangen trägt? Ach es ist schreklich, so auf dem Isolirschemel zu
stehn, wie ich jetzt, denn am 29ten Apr. verließ die Freundinn mich auch und noch
hat mein Herz den großen Verlust nicht verschmerzt. –
Mein Knabe erfüllt mich aber mit den schönsten Hoffnungen – es ist ein sehr glük-
liches Kind, dem Herz und Geist aus dem Gesichte leuchten, dabei hat er ein so zar-
tes Gefühl und einen so bestimmten Willen, daß alles aus ihm werden kann.
Unartig ist er wirklich nicht, auch nicht verzogen, aber er tritt keck mit seinen
Wünschen in die Welt, und liebt mich doch so sehr, daß ich ihm alles versagen
darf, ohne daß er murrt. –

Seite „97v“

Ohne schön zu sein, wie er es als Kind war, hat er ein liebliches frisches Gesicht, einen nied-
lichen kleinen Mund, dunkle Augen und einen köstlichen Wuchs. Seine Sprache ist wohl-
tönend und rein und alle seine Glieder sind im schönsten Verhältniß.
Von mir getrennt zu sein, ist sein größter Kummer; gestern Abend faßte er mich mit
seinen beiden Aermchen um, als ich von meinen Stunden zurück kehrte, und sagte mit
seiner süßen Stimme: Mutter, bleib nun bei mir, geh nun gar nicht wieder weg!
Zu allen körperlichen Uebungen ist er sehr geschickt und reitet schon allein, auch soll
er gleich in die Thurn-Anstalt, wenn ich hinüber komme. –

Ich wollte, theure beste Rosa, Dir noch einen langen langen Brief schreiben, aber
die Zeit geht mir aus, und ich kann nur noch zärtliche und fromme Wünsche
für Dein Wohl hinzufügen, die gewiß mein Herz ganz erfüllen. –
Dem herrlichen Assing die freundlichsten Grüße und den besten Dank für sein
freundliches Schreiben. –
Gott helfe Dir über eine schwere, aber auch die schönste Stunde Deines Lebens
freundlich hinweg, und mache Dich so glüklich, als es Dir wünscht:

Deine A.

N. S.

So wenig Zeit ich habe, muß ich doch noch eine Bitte und ein Geständniß hierhersetzen.
Auf die Bitten meiner Mutter, und durch ein seltsames Schaamgefühl getrieben
sagte ich Caroline Prösch nichts von der Geburt meines Knaben – ich fürchtete
eine Mißdeutung, und so unschuldig ich war, fühlte ich mich nicht im Stande
ihr diese Unschuld klar darzustellen, wie ich es so ganz bei Dir konnte: o ich
fürchtete nie, von Dir mißverstanden und verkannt zu werden! –
Schlechter als dies ist aber die Lüge, die ich ihr nachher machte, als sei
mein Knabe nach der wirklichen Verbindung mit Sch: geboren –
sie glaubt ihn jetzt ohngefähr zwei Jahr alt, und er ist 4 wenn er in H.
auftritt. –
Dieses sollst Du nun, theure beste Rosa, wieder gut machen, indem Du sie
mit dem Ganzen bekannt machst, und sie in meinem Namen um Verge-
bung bittest, sie hintergangen zu haben. Ich könnte dies am besten schrift-
lich thun, aber dann würde auch ihrem Manne diese unangenehme und
für mich demüthigende Geschichte bekannt, der vielleicht ohne Schonung ist und
mich verdammte, wo ich es nur in der Hinsicht zu sein verdiente, daß ich mich zur
Lüge herabwürdigte. – Dir, treuste, geliebte Freundin, überlasse ich es ganz,
dies in Ordnung zu bringen, und mir die Caroline zu versöhnen, ohne daß ihr
Mann um das Ganze wisse. Du aber verzeih mir auch diese Falschheit, der ich
ich mich selbst mehr schäme, als ich sagen kann: glaube, daß mich das Geständniß
derselben schon genug bestraft, und entziehe mir Deine Liebe nicht, die mir über
Alles geht! –
Ewig Deine A. –