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Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

Burg auf Fehmarn, 22.–23. März 1817
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 95-96 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
23. März 1817
Absendeort
Burg auf Fehmarn
Empfangsort
Hamburg
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 210 mm; Höhe: 250 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Erstdruck: Thomsen, S. 138–140.

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Assing

Burg, d. 22ten März: 17.
Heute ist Frühlings-Anfang und mir windet dieser dreifache Kränze des Glücks um
die Schläfe – die keimende Hoffnung unter Deinem treuen Herzen, das Gefühl
der Genesung und die treibenden Blüthen und Veilchen. Ich grüße Dich
Rosa, heilige, geliebte Rosa! laut und freudig schlägt Dir mein Herz ent-
gegen und fühlt ganz den Anklang Deiner unendlichen Wonne – o wie froh
hat mich gestern Dein Brief gemacht! So wird denn Dein reines schönes Leben
belohnt durch ein Kind werden, das, ich bitte den Himmel flehend darum,
das Dir ganz gleichen soll. O wie jubelnd werde ich das kleine Geschöpf
empor halten, das Kind der Tugend, das Kind meiner Rosa! Aber eine Toch-
ter muß es sein und Amalia soll sie heißen, denn mein Junge soll sie
einmal lieben und einen recht tüchtigen Roman mit ihr spielen:
mich dünkt, die Freude giebt mir einen Lafontainischen Anstrich.
Sehr wild ist mein Junge – ungezogen nicht, vielmehr durchaus artig
und besonders gehorsam. Gestern ist Dein Schwiegersohn in Spem vom
Pferde gefallen und hat sich eine tüchtige Brausche
geholt; er reitet schon
allein und wird im Jülÿ 4 Jahr alt. Dabei verachtet er den lateinischen
Zügel, die Mähne des Pferds – ein rechter Reiter, sagt er, muß
Trense und Zügel, aber nicht die Pferdehaare halten.
Weil er so groß gewachsen, habe ich ihm schon Knabenzeug geben müssen,
welches ihm sehr gut steht, auch wollte er kein Mädchen mehr sein, wie er
sehr komisch sagte. Hart ist er, und ein rothbackigter tüchtiger Junge,
der keine Furcht kennt, auch soll er einmal General werden. –
Sonntag d. 23tn März.
Der Aprill macht seine Rechte im März geltend – es fliegen hier Schneeflocken
durch die Luft. Ich weiß nicht, habe ich Dir erzählt, welch majestätisches
Nordlicht ich am 9ten Febr: hier gesehn? Es war eine herrliche Erscheinung, die
mich um somehr erfreute, da es meine innigste Sehnsucht von Jugend auf
gewesen, einmal eins zu sehen; nun hatte es sich in all den 4 Jahren
nicht treffen wollen, daß eins hier sichtbar wurde, bis auf jenen Tag.
In den Stunden wo es am Nordhimmel stralte, über das davon ver-
silberte Weltmeer hin, starb eine Mutter von 11 Kindern wovon ich
9 unterrichtet habe und noch 6 diesen Augenblick unterrichte; ich habe
viel Liebe und Freundschaft in dem Hause genossen, daher war mir
der Moment besonders rührend und feierlich. –

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Deine Besorgnisse in Hinsicht unsers Glücks in der Vereinigung glaube ich
stillen zu können, indem ich mit völliger Ueberzeugung versichern darf, daß sowohl
in Schuppes Charakter so wie in dem meinen sich Vieles geändert hat, und daß
unser Kind alles das ausgleichen wird, was fremd in uns ist; in dem Punkte
werden alle unsre Sorgen und Freuden zusammentreffen und uns einig machen.
Für unser Auskommen fürchte ich weniger vereint als getrennt, denn wie
ein einzelner Mann wirthschaftet, weißt Du; j auf jeden Fall bin ich immer
da, um mitzuwirken, wenn es nicht gehen sollte. Uebrigens versichert S.
daß er keine Sorge für unser Auskommen habe, da sich seine Geschäfte
täglich mehren.
In diesen Verhältnissen und Arbeiten könnte ich nach dem Ausspruche
meines Arztes durchaus nicht bleiben ohne zu Grunde zu gehn; ich war
in der größten Gefahr ein hektisches Fieber zu bekommen, und dann
ade!

Steenschwank ist in diesem Augenblick wieder auf der Reise – er spazirt
vorerst nach Konstantinopel und will dann nach Indien gehn. Er hat
keinen Heller als den Lohn welchen er bei seinem Bauern als Knecht
verdiente, und mit diesem die Abrede getroffen, daß er wieder in
dessen Dienste tritt, wenn sein kleiner Gang vollendet ist; es ist doch
ein köstliches Original! –
Was Du mir von Carolinens Mann geschrieben, hat mich betrübt; die
ist mir also gewiß verloren, denn mit einem solchen Narren werde ich
mich nicht zu stellen wissen, und ich fürchte, er ist so unheilbar in der
Thorheit als mein Steenschwank in der Genialität. –

Die neuen Schriften, wovon Du mir sagst, habe ich nicht gelesen, will aber
alles nachholen. Wir lesen fleißig die Litteraturzeitung
, das Morgen-
blatt
und die Lesefrüchte,
welches letztere Mischmasch und Gebrau
mir wenig gefällt.
Der Kammerherr grüßt herzlich wieder; er ist wie bezaubert von Dir und
macht die Reise gewiß allein, um Dich zu sehen; er kömmt im Julÿ mit
mir. –
Assings Unpäßlichkeit wird hoffentlich ganz vorüber sein, wenn Du Dienstag
den Brief erhältst; er ist liebevoll und freundlich gegrüßt. –
Lieber Assing, Rosas Tochter soll ja Rosa Maria Amalia heißen! Ist
es aber, wider alle Vermuthung, ein Sohn, so wird er gewiß Carl
genannt,
wie meiner, und damit bin ich zufrieden.
Mein Junge spricht alle Tage von Dir, beste Rosa, aber er hat sehr
materielle Gedanken, denn immer sagt er: Rosa Maria ist gut;

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wenn ich nach Hamburg komme, giebt sie mir Mandeln, Rosinen und
Kuchen; ich kann gar nicht begreifen, warum er das glaubt. –
Heute ist er sehr schmuck, denn er hat sein Sonntagszeug an und will eine
Visite machen; das hat er mir aufgetragen Dir zu schreiben. –
Warum aber, beste Rosa, glaubst Du daß mein Junge so unmäßig unartig sei?
Etwas kann freilich nicht schaden, aber allzuarg mag ich es selbst nicht. –

Geschrieben habe ich gar nichts als Briefe – meine letzte Sünde ist also
die Polonaise
, und die scheinst Du mir schon vergeben zu haben. –
Julchen hat zwei Kinder? – Die glükliche Unglükliche!
Friedericke will nicht – ich hab’ es mir freilich gedacht, denn Fehmarn
ist ordentlich verrufen; aber so arg ist es nicht, und könnt Ihr in Eurer
Stadt wohl Einmal so ein Nordlicht aufweisen? Freilich geht Ihr zum
Ombre Chinois um es zu sehen, aber das ist Stroh gegen unsre Diamanten!
Meine Justitsräthin geht im Mai fort – das wird noch viele Thränen
kosten!
Ach Rosa, ich kann es Dir gar nicht sagen, wie unendlich ich mich auf
meine Rükkehr nach Hamb. freue! Dich wiederzusehn, die ich so über
Alles liebe! Und auch mein Leben an S.’s Seite denke ich mir schön
und erfreulich, da er sich so treu und gut bewährte und mir so heilig
versprach, mich glüklich zu machen. Du kannst gar nicht glauben, wie
zärtlich und liebevoll seine Briefe sind und welche heilige Liebe
er für seinen Sohn hegt! Ach, und wie könnte ich den Vater meines
Kindes nicht auch lieben? ich fühle die innigste Zuneigung gegen ihn
und hoffe, an seiner Seite glüklich zu sein, ganz glüklich, wenn ich
auch manchen Entbehrungen mich unterwerfen muß, besonders im
Anfange unsrer Vereinigung. Eine Wohnung haben wir schon, und
das eine sehr anständige und hübsche; ein gutes Mädchen nehme ich von
hier gleich mit. – Nun schließe ich, denn die Post geht bald ab. –
Beste Rosa, beunruhige mich nun nicht durch langes Schweigen; kannst
Du nicht, so laß Assing mir einige Worte schreiben, nur daß Du wohl
bist und mich liebst. – Ist der Ankömmling da, so muß ich es gleich
wissen, nicht wie Deine Verheirathung durch die Zeitungen erst. –
Tausend Küsse und liebevolle Grüße! Ewig Deine A. –
[Amalia Schoppe] [N]. S. Eben erhalte ich Hammerichs diesjährige Rechnung – darf ich Dich bitten, sie mir zu berichtigen, da
es hier soviele Umstände mit der Geldversendung macht? Sonst habe ich es immer mit meinem Onckel dem
Probsten
besorgt, der hat aber durch einen Wechsel und schon lange bezahlt. Hebe mir die Quitung bis
Julÿ auf, wo ich Dir eigenhändig Deine Auslage erstatten kann. Schuldig sein mag ich Niemand als Dir,
und laß ich es durch Mutter oder S. besorgen, so schenken sie es mir und das mag ich noch viel weniger; –
also bleibt mir nichts übrig, als Deine Güte in Anspruch zu nehmen, welches ich hiemit thue. Deine A. –

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Ihrer Wohlgeb.
der Frau Doctorinn Assing, geb.
Varnhagen von Ense.
1te Marienstraße Nor 150.
zu
Hamburg.
[Amalia Schoppe]1–5