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Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

Burg auf Fehmarn, 19. Mai 1816
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 86 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
19. Mai 1816
Absendeort
Burg auf Fehmarn
Empfangsort
Hamburg
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 125 mm; Höhe: 200 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „86r“

86

Assing
Burg, d. 19ten Maÿ
1816.


Theure Rosa Maria!

Obgleich Dir der Himmel wohl so voller Geigen hängt,
daß Du
gar nicht mehr an Deine Freundinn denkst, so ist Diese doch
immer liebend beschäftigt für Dich gewesen, und hat zum
nahenden Geburtstage Dir ein Angebinde vollendet,
welches hiebei erfolgt.
Hiarne der Sang-König
heißt das neue Kind mei-
ner Muse, das ich Dir zu Füßen lege – nimm
das verschämte Kleine freundlich auf – gewiß
es entstand aus der reinsten treusten Liebe,
mit der ich auch abwesend den 28ten Maÿ feiern

werde. Aber ist es nicht hart, daß ich aus den
Zeitungen das Glück meiner Geliebten erfahren
muß, und nicht einmal meinen Brief zu adressi-
ren weiß? Ich kann nichts darauf schreiben, als:
An die Frau Doctorin Assing in der Welt –
Hätte ich nicht den getreuen Doctor Schuppe in
Hamburg, so wüßte ich gar mein liebes Klei-
nes zum 28ten nicht unterzubringen, und hätte
diese Nacht vergeblich durchgeschrieben, um
es zu vollenden.
Also beide sind wir jetzt Frau Doctorin? Du
der medicinischen, ich der juristischen Facultät;
das wirst Du doch wohl wissen, daß S. zum Doctor
Juris
ist promovirt worden?
Nun, theure Rosa, ist die Trennung zwischen uns
auch bald geendigt, denn schon macht S. sehr
gute Geschäfte und lebt anständig. –

Seite „86v“

Mit meiner Mutter ist er ganz versöhnt, und auch
mir lacht jetzt das Leben.

Aber warum schreibst Du denn gar nicht mehr an
mich? Darf ich mich Deines Glüks nicht theilneh-
mend erfreun?
Leidet Dein Gatte nicht, daß auch ich Dich liebe? –
Sag ihm tausend freundliche Worte von mir,
und daß ich ihm doch gut bin, obgleich es scheint,
er habe mir ganz Dein Herz geraubt. –

Gewiß werden wir zwei recht glükliche Famili-
en ausmachen, wenn wir erst zusammen leben,
auch können beide Herrn Doctoren sich gegenseitig
aushelfen – Assing
sorgt für unsre Gesundheit,
und Schuppe für die Handhabung des Rechts gegen
Euch; sieh, ist das nicht sehr schön?
Der Kammerherr, der ordentlich in Dich verliebt
ist, grüßt und wünscht herzlich Glück, auch macht
er Dich aufmerksam darauf; daß nächstens
einige Geschichten und Lieder
von ihm unter
seinem Namen vom Generaladjudanten und
Kammerherrn des Königs, W. O. v. Ries
erscheinen werden, damit Du sie lesen und
beurtheilen mögest.
Wir Dichter hier auf unserm Delos sind rüstige
Schreiber, und bringen wohl etwas zu Stande.
Gedenke mein am 28ten, und schreibe bald, damit
ich wisse, wo Du wohnst.
Ich grüße Dich, Frau Doctorin – ich grüße Dich
Herr Doctor!

Amalia.