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Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

Burg auf Fehmarn, 28. Mai 1815
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 77 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
28. Mai 1815
Absendeort
Burg auf Fehmarn
Empfangsort
Hamburg
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 190 mm; Höhe: 226 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „77r“

77

Assing
Burg, Insel Fehmarn, d. 28ten Maÿ. 1815.
Zu schön und heilig ist mir seit vielen Jahren schon dieser Tag
gewesen, als daß ich ihn heute
so hingehn lassen könnte, ohne mich seiner liebend zu erfreun und dem Andenken der vergang-
nen eine Thräne der Rührung zu weihn. Alles zwischen uns, meine Rosa, scheint
ja zerrissen und todt, und ich sage es mir, daß dies das letzte Täublein sein
wird, das ich über den Ocean hinschweben lasse – zu lange ist durch Dein Schwei-
gen mein Herz und mein Stolz gekränkt – es wird mir, was es auch mich
kostet, unmöglich sein, einen vierten Versuch zu machen, Dein Schweigen zu
brechen und dem theuren Munde ein freundliches Wort zu entlocken.
Meine Liebe hatte ein kleines Geschenk für Dich ersonnen – es war eine
Blüte einer freien glüklichen Stunde, die ich mir versagt hatte Dir zu schicken,
um Dich heute damit zu überraschen – betrübt lege ich sie jetzt in
meinen Pult – wie könnte ich ein so geringes Geschenk, zumal der Art, Dir
vorlegen! Du nimmst ja ganz gewiß keinen Antheil mehr an dem was
ich schaffe! – Ich weis nicht, ob man meinen Wunsch erfüllt hat, Dir
meinen Aufruf an Europas Heldenjugend,
in Hamburg herausgege-
ben, zu schicken – sonst hätte ich ihn Dir längst gesendet –
Mein einziger Trost an diesem Tage ist mein Adalbert, der durch Liebkosungen
und Zärtlichkeit mich zu erheitern sucht, da er sieht daß ich leide und traurig
bin – o Du doch so liebe Rosa! solltest Du denn heute gar nicht an Deine
Amalia in Sehnsucht denken? – Ich kann Dir auch gar nicht böse sein, denn
es ist zuerst seit ich Dich liebe, daß Du mir so wehe, so schmerzlich wehe
gethan, da ich so oft den himmlischen Frieden Deiner Seele trübte –
o vergieb mir nur das – so will ich’s auch heiter tragen, – heiter nicht,
wie könnte ich das ohne Beweise und Zeichen Deiner Liebe? –
nein aber recht muthig, und so gaanz liebend an Deinem lieben
Bilde hangen. – Liebe süße Rosa! ich will nun nicht weiter schreiben,
es möchte sich ein bittrer Stachel unter die Worte mischen, oder Du
möchtest sehen, daß ich so betrübt sei – und wehe thun will ich Dir ja
nicht, nein, nur Dir heute noch sagen, daß ich Dich so über Alles
liebte und liebe, und liebend dieses Tags gedenke. Genieße froh den
schönen Frühling, der auch mich entzückt, und schreibe mir, wenn Du mir
nicht mehr zürnst – Du siehst selbst, ich kann nun nicht wieder schreiben!
Grüße Assur und alle die Lieben, die ich durch Dich verehre! In ewiger
unauslöschlicher Liebe und Dankbarkeit:
Deine Amalia. –

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