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Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

[Hamburg], 28. Mai 1818
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 102 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
28. Mai 1818
Absendeort
Hamburg
Empfangsort
Hamburg
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 120 mm; Höhe: 205 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „102r“

102

Assing
den 28tenMay 7 Uhr Morgens.

Herzlich begrüße ich Dich, Du Freundinn meiner Seele, und
der erste Gedanke nach dem an Gott ist der an Dich:
unser Vater segne Dich!
Hell, wie die Natur an diesem schönen Morgen,
liegt mein Leben vor mir, und trotz der Schmerzen
der beengenden Gegenwart, rufe ich mir zu:
ich bin glüklich, denn ein edles Herz war mein
m. Lieb und Leid, und jedes Jahr habe ich einen
solchen Tag – den schönen Tag Deiner Geburt.
Es sind nicht zusammengesuchte Feierworte die
ich zu Dir rede – die Seele spricht sie aus, ehe
der Gedanke sie ordnet und die Feder sie schreibt;
ich liebe Dich sehr, glühend, ewig!
Wie auch das Leben verderblich an meinem äußern
Glück vorüberstreifte, wie die eigne Thorheit und
der ungebeugte Wille mich in manche Gefahr
stürzten, so blieb mein innres Glück unangeta-
stet – Liebe, Poesie und Religion wohnten
immer in meinem Herzen und sind selbst in
diesem Augenblick mächtiger denn je darin;
o weise diese Liebe, die sich unverändert nach Dir
wendet, nie zurück, Theure, Vielliebe! –
Möge der herrliche Lenz all seine Wonnen heute
auf Dein geliebtes Haupt schütten und kein
Schmerz Dich daran mahnen, daß diesem Leben
kein vollkommnes Glück verliehn – Du wirst
vermuthlich hinaus eilen in die freie schöne Na-
tur – gedenke dort Deiner Freundinn, die
so gerne an Deiner Seite diesen Tag feierte,
und laß Dein Herz zur Fröhlichkeit durch die
beifolgende Flasche – von der mein Vatersagt,
sie enthalte „einen köstlichen Wein“ stimmen;
gestern erhielt ich ein paar davon zum Geschenke
und freute mich besonders darüber, daß ich
heute einen so angenehmen Gebrauch davon
machen kann. –
[Amalia Schoppe]
Ihrer Wohlgeb.
[Amalia Schoppe]
Der Frau Doctorin Assing.

Seite „102v“

Der theure Assing soll aber mittrinken, sonst berauscht
Dich meine Flasche mehr, als die Wonne des Lenzes.
Den beifolgenden Theelöffel, beste Rosa, bitte ich zu
Deinem täglichen zu machen; die Unachtsamkeit
des Goldschmidts setzte den Namen, statt oben auf,
unten – Du mußt verzeihen, daß der Name, der
in meinem Herzen oben an steht, sich hier scheu
verbirgt. –

Der Himmel segne Dich, tausend, tausend mal! –
In Lust und Liebe Deine Amalia. –
NS.
Mein Befinden ist, trotz allen bösen Propheten! ganz
herrlich – gestern stand ich zuerst auf und erfreu-
te mich so der schönen Natur – freilich noch durchs
Fenster – daß ich vor Entzücken weinen mußte.
Von meinem kleinen Julius habe ich täglich die
besten und erfreulichsten Nachrichten; dürfte ich
doch erst hin zu ihm! Von dieser Seite ist mein
Leben also ganz gesichert – die andern Wunden
werden auch heilen durch Gottes Gnade und
Hülfe! Nach einem Gläschen von dem Wein
habe ich diese Nacht so köstlich geschlafen, daß
ich auch keine Spur von Uebelbefinden mehr habe,
oder macht das die Wonne des Tags? –