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Brief von Meta Liebeskind an Helmina von Chézy

o. O., 18. Mai 1821
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 108 Liebeskind Meta, 18.05.1821 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Dorothea Margarete Forkel-Liebeskind
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
18. Mai 1821
Absendeort
Empfangsort
Darmstadt
Umfang
3 Blätter
Abmessungen
Breite: 126 mm; Höhe: 205 mm
Foliierung
Foliierung durch die Biblioteka Jagiellońska noch ausstehend.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche und Transkription durch Jörg Paulus; Auszeichnung nach TEI P5 durch Katarzyna Szarszewska; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „1r“

[Karl August Varnhagen]Meta Liebeskind an Fr. v. Chézy.

Meine Chetzi! meine edle grosmü
tige Helmina!
Also lieben Sie mich noch,
die ich so wahr u innigst an Ihnen hänge,
wenn gleich der Zufall immer bösartig
spielend zwischen die schriftlichen
Außerungen meiner Liebe tritt. Es
ist ein erhebender Gedanke, daß es
Gemüther giebt, die das reine, treue
Gefühl der Liebe unwandlbar ud
redlich in sich bewahren, flössen auch
Monden u. Jahre ohne daß eines
vom andern Kunde vernimmt. –
Ich liebe Sie unendlich meine
Helmine! mit dem stärksten
Gefühl, dessen meine Seele
fähig ist, u. der Anblick eines
Briefs von Ihnen erfüllt mich
mit wahrhaft stürmischem Ent-
zücken. Was hat mir die weibliche

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Welt meiner Bekannten zu biethen,
seit ich Sie nicht mehr sehe. Die einzige
Frau, die ich an reiner Offenheit
der Seele u. freiem Schwunge der
Begeisterung Ihnen vergleichen kann,
ist die Muse, ud. diese mußte ich
nun aus Ihren Schriften lieben.
Mit Ihnen aber, theure Helmine,
brachte ich lebendige Tage zu,
die ich in dem Augenblick
nicht so genoß, wie ich gekonnt
hätte, die mir aber ewig in
frischer Erinnerung schweben, ud.
die mir nichts andres nachher
ersetzte! – Sie leben jezt
also glücklich, Sie leben in zwek
mäßiger litterarischer Beschäftigung

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ohne irrdische Sorgen; Ihre
Söhne sind zu herrlichen Jüng-
lingen gereift – Sie haben
Freunde, die Sie lieben, ud.
können diejenigen, die Ihr En
gelsgemüth nicht verstehn,
links auf der Stra großen
Straße liegen lassen. Sie
wohnen romantisch ud schön.

Das alles sagen mir Fremde,
die ich jedesmal über Sie aus-
fragen u. nie müde werde, das
haben mir die wackern Schweden
ud. Dänen, di lieben sanften
Völker (die ich schon um Ihrent

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willen lieben mögte) – das schreibt
mir Fr. v. Huber, die Sie wahrlich
in Ihrer reinen Genialität
richtig zu würdigen weiß, u.
nicht mit den Fannÿ’s ver-
wechselt, die recht viel schönes
erlernt haben, denen aber der
innre Götterfunken fehlt,
den Sie, Theure, unmittel
bar vom Himmel zündeten.
Ach Helmine! wenn ich nicht
Bogen lang schreiben will, so muß
ich enden. Welche ungeheure
Massen für meine Brust, wenn
ich mir könnte den Zügel lassen.
Mögte ich Sie noch einmal wieder
sehen! Ich werde alt, mein

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Geist verlier von seiner Lebendig
keit, oft auch aus Mangel an
Nahrung; meine Gesundheit
welkt – aber meine Liebe
für Sie ist ewig; Ihr Anblick
würd ich wieder erquicken
wie eine Frühlings Sonne!
Ich lege mich mit innigster
Liebe an Ihr Herz, meine
herrliche, meine Gute! –
Was Sie schreiben lese ich
alles so wie ich es bekommen kann,
ud. somit ud. erkenne immer
Sie!
d. 18ten May
1821.
Ihre Meta L.

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An
Frau Helmine von
Chetzi
Fr. Gräntze. zu Dresden