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Brief von Amalie von Helvig an Friedrich de la Motte Fouqué

Heidelberg, 21. Juli 1811
Goethe- und Schiller-Archiv (GSA) | GSA 96/1145 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalie von Helvig
Empfänger/-in
Friedrich de la Motte Fouqué
Datierung
21. Juli 1811
Absendeort
Heidelberg
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 000 mm; Höhe: 000 mm
Foliierung
Nicht foliiert.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Agnieszka Sowa; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

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Heidelberg den 21 t July 1811

Freundlichen Gruß und Dank zuvor, für das liebliche Frühlingsgeschenk
so Ihren werthen Brief
begleitet und mir mit lieblichen Geisterhauch wieder
einen neuen Lenz mitten im drükend schwülen Sommer hereingeführt hat – 
Ihre schöne und erfreuliche Dichtung
hat nach mir schon manchen ergözt

dem ich sie mitgetheilt und wird von unsren kleinen Kreis so recht nach
Würden hochgehalten und genossen. Es ist recht der eigne Seegen aller
poetischen Gaben daß sie den müden und beladnen aufrichten und zerstreuen.
So kamen Ihre Geschenke (auch der ernste herrliche Waldemar
)zu einer Zeit
wo ich wieder mit meinem feindseelig nekenden Geschike ringe, denn
seit zweÿ Monaten bin ich ganz ohne Nachrichten von meinen guten Helvig der mir
sonst so oft als regelmäßig zu schreiben pflegt und noch dazu ließ ein
ZeitungsArtikel mich seine Ankunft seit 3 Wochen täglich erwarten
 – Wie
Viel Zweifel, Hoffnungen und Schlüsse mir seither durch den armen wüsten
Kopf gezogen brauche ich Ihnen nicht zu sagen – Meine Vernunft erklärt
mir oft alles das ganz natürlich aber Fantasie und Gemüth reden oft ihr
Wort darein und verwirren die klaren Ansichten die man mit Mühe sich darstellt.
Indeß gab mir Gewohnheit der Sorgen, die Gewalt über mich selbst,
und Fähigkeit durch ernste Beschäftigungen mich wohlthätig zu zerstreun;
da wähle ich denn solche die mein ganzes Interesse in Anspruch nehmen
und darum seÿ Ihnen herzlicher Dank gesagt daß Sie durch den freundlichen
Antheil den Sie für meinen Plan zeigen mich selber für ihn noch mehr ge-
wonnen haben. Schon wird Cornelius
durch einen seiner besten Freunde und
Beschützer Rath Schlosser aus Frankfurt welcher glüklicherweise einige
Tage hier zugebracht für den Allmanach geworben, und was man thun
kann um ihn zu gewinnen darf ich hoffen daß durch ihn gethan wird.
Cornelius gedenkt nach Italien zu reißen und es kommt nur darauf an
[Amalie von Helvig]An die bald möglichste Besorgung unsrer gegenseitigen Aufträge wollen wir hiermit uns binden, zum Frommen des Ganzen.
Helvig Amalie v

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ihn zu einen Aufschub von einigen Wochen zu bewegen, da er überdem hieher kommen
muß und in der trefflichen Boisseréeischen
Sammlung vielleicht noch schneller
und glüklicher das unternommne Werk zu stande bringen könnte. Sehr
bald hoffe ich Antwort zu erhalten, indeß konnte ich mir nicht versagen
Ihnen für die freundliche Hand zu danken die Sie mir bieten und Ihnen
auch den Wunsch auszudrüken die Werke zu kennen die recht wie verabredet
zu meinen Gedichten und Sagen sich fügen so daß ich meine es wird ein
verträgliches und erträgliches wenn auch kein einträgliches Werklein daraus
entstehn. Hier ist schon ein kleiner Alarm darüber bei allen Freunden und
50 Exemplare mögte ich wohl dem Verleger für diese Gegend garantiren.
Nun soll ich Ihnen die Bedingungen angeben? – Das kann doch nicht wohl
seÿn denn ich weis nur so viel als Sie selbst daß die Buchhändler in diesem
Augenblick bange sind und man von keinen etwas erwarten kann. Meine
Idee hierüber ist daher kürzlich folgende. Durch einige zufällige Anfragen
weis ich daß ein Werkgen von 10 Bogen Stärke für 1500 Abdrüke auf
schönen Papier mit allem eingerechnet nur 150 fl Unkosten erfordert
nehmen wir 12 Bogen stark den Allmanach an, so sind 200 fl alles was
man herausbringen könnte 6 Kupfer und ein Titelblatt werden eben
nicht sehr kostspielig seÿn und lassen wir uns rechnen daß man für
einen solchen Allmanach mindestens 2 Thaler fodert so kann man berech-
nen daß der Verleger wenn er abgeht für sehr kleine Auslagen eine
bedeutende Summe erhielt – da nun weder Sie noch ich in der Nothwendigkeit
uns befinden das Honorar voraus zu erhalten so wäre mein Vorschlag der, vors
erste nur den schönen höchst correcten Abdruk zu bedingen und wenn der All-
manach
bis Neu Jahr einen bedeutenden Absatz erhält ein verhältnißmäßig
ansehnliches Honorar – oder wie man es lieber nennen mögte Gratification.
Ob, wenn man des Verlegers Unkosten auf 500 r anschlägt, seinen Vortheil
aber auf 1500, die Gratification für die armen Dichter nicht billig 1000 r seÿn

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dürfte dies überlasse ich Ihrem Urtheil, denn gewiß wären 300 procent eben
kein unbilliges Arrangement für einen Verleger. Eben so aber wie ich diese Bedingung
als Ideé hinwerfe lasse ich mir auch gefallen gar nichts zu bekommen indem
ich an und für sich nu die Sache nur gefördert wünsche und ein großes Vertrauen
dazu hege daher der zeitliche Vortheil bei mir gar nicht in Rechnung kommt.
Nicht als ob ich so unabhängig vom zeitlichen wäre, ja im gegentheil sehr davon
beschränkt, indem mein längrer Aufenthalt lediglich davon abhängt ob ich durch
einige literarische Arbeiten den großen Verlust hindern kann welchen man an
schwedischen Geld erleidet indem nach dem jeztigen Cours weniger als die Hälfte
nur dafür zu erhalten ist; aber es giebt Dinge im Leben die man gar nicht als
eine Spekulation ansehen kann weil sie uns zu sehr das bessre Gefühl
berühren und so hege und pflege ich den Gedanken an diesen lieben Sagen-
und Legenden Allmanach. Erzeigen Sie mir also doch diesmal den Gefallen
und handeln ganz für mich da Sie gewiß überzeugt seÿn können daß
Sie im schlimmsten wie im besten Falle mir es immer recht machen.
Eben erhalte ich einen Brief von Helvig
und erfahre leider daß sein Reise-

project an den Granit Klippen der bedroheten Küsten gescheitert hat – doch
auch zugleich erfahre ich daß die Buchhändler in Stokholm ihn um 120 Ex.
der von mir zu drukenden Werke gebeten, dieses mögen Sie gelegent-
lich nutzen – ich mache mich anheischig die Adresse der Buchhändler zur
rechten Zeit beizufügen. Man wollte gleich 200 haben meinte aber diese
nicht garantiren zu können, doch glaube ich daß der debit nach Schweden
nicht geringer seÿn wird. Auf diese ziemlich beunruhigenden Aspecten hin
dünkt mich könnte der Verleger vielleicht schon im Voraus leidliche Beding-
ungen machen und dies wäre mir allerdings angenehmer. Alles dies aber
lege ich ein für allemal in Ihre Hände damit zu schalten nach Wohlge-
fallen.
Nun ein Wörtgen über das Werk selbst. Vermuthlich sind Sie mit mir

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darin einverstanden daß wir das Format wegen der Zeichnungen nicht zu
klein nämlich klein Octav wählen wollen – etwa wie Jacobi’s überflüssigen
Kallender
oder Kleist’s Sapho
. Sodann dünkt mir wären 6 Kupferstiche hinläng-
lich um das Ganze nicht zu vertheuern; als Titel Kupfer aber wünsche ich
eine wunder holde Madonna von Francia Francese
aus der Boiserées
Sammlung
gestochen, die diesen Winter die Zierde unsres kleinen Kreises und aller
Augenweide war, auch noch in der Kunstwelt ganz unbekannt ist – dieselbe
Madonne veranlaßte mich kürzlich zu einen Stiftungsbrief welcher
jedem zugetheilt wird der eine Copie von ihr hat, deren hier sich nicht
wenige finden, und dies Gedicht
füge ich dem Kupferstiche auch bei.
Es bleibt mir Ihnen noch eine Enumeration der Arbeiten zu machen
welche ich für den Allmanach bestimme zu jeder werde ich die Bogenzahl
setzen nach der Berechnung daß nicht mehr als 20 Zeilen auf die Seiten
gedrukt werden – Im übrigen wird ja dann Ihr Freund Hitzig dafür
sorgen daß die Gedichte in anständiger Entfernung, nicht wie Herringe
in den nordischen Tonnen, eingepakt stehen. Dann sollen Sie
selbst Ihre Gedichte dazwischen ordnen und eintheilen wie es Ihnen
gut dünkt; noch melde ich 3 kleine Legenden an, die eine von Fr: v Chézy
wirklich recht lieblich und zu loben, 2 andre von einer jungen Anonymen
die kindlich und gar einfach nicht der Stelle unwerth seÿn dürften.
Übrigens sehe ich soweit das Werk als geschlossen an. Sehr werde
ich Sie bitten, mir etwas aus dem dramatischen Gedicht auszuschreiben
was
man Cornelius zur Zeichnung vorlegen kann, und was Sie in den
übrigen noch dazu geeignet finden. Ich selbst werde, wenn es mir glükt
Cornelius hieher zu bekommen alles anwenden Ihren Sinn treffen zu helfen.
Ich muß schon ein Blättgen noch anlegen, da mir noch allerleÿ zu
sagen bleibt, erschrecken Sie nur nicht über dieses Volume ich verspreche
Ihnen dafür nächstens einen recht kurzen Brief.
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