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Brief von Helmina von Chézy an Adolph Müllner

Wien, 22. Februar 1825
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 47 Chézy Helmina von, Bl. 218-219 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Helmina von Chézy
Empfänger/-in
Agnes Franz
Datierung
22. Februar 1825
Absendeort
Wien
Empfangsort
Weißenfels
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 210 mm; Höhe: 260 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Jadwiga Kita-Huber; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „218r“

218

[Karl August Varnhagen]
Helmina von Chézy
Wien, 22. Febr. 1825.
Wohlgeborner Herr Hofrath!

Meine Verleger werden eilen den Mißgriff des Comissionairs
wieder gut zu machen, u ich ergreife diese Gelegenheit Ihnen zu
melden daß Ihr Schreiben vom 18. Jenner a.c. dieser Tage bey mir
eingetroffen ist.
Recht leid ist es mir Ihnen nur Werke senden
zu können, für welche Sie gar keinen Sinn, die Töchter aber
nicht Augen, u ein Herz sondern nur eine Nase haben, vielleicht ist der erste
Band der Stundenblumen
glücklicher. Mit dem Wort „Aus-
fälle
müssen Sie es so genau nicht nehmen, ich kenne die
Ihrigen gegen mich meist nur von Hörensagen, wie Sie meine Lieder,
da mir selten ein Tagblatt zugelangt. Die Mondnacht u der
Friedenschatten der Dichterwelt ist mir lieber als die Schatten-
u oft auch Licht-losen Tagblätter, in denen nur selten
ein leuchtender Name an seiner Stelle steht, sey es
handelnd, oder leidend. Wenn mir jedoch welche zuge-
kommen habe ich, wo ich irgend etwas von Ihnen fand
jedesmahl ein behagliches Ergoetzen bey Ihren Schalkhaftig-
keiten empfunden, gegen wen immer sie gerichtet
seyn mochten, selbst gegen mich, u dafür erkenne ich
mich Ihnen verpflichtet. Was nun aber Ihre gütige
Entschuldigung betrifft daß Sie mich in Dresden nicht
aufgesucht, so versichre ich Ihnen daß Ihnen auf keine
Weise zuzumuthen war meinetwegen nach Boehmen zu
reisen. Dort lebte ich, bey einer dort residirenden, sehr
liebenswürdigen

Seite „218v“

Familie, vom 7 May 1822 bis 30 Julius desselben Jahres,
nur 8 Meilen von Dresden, u gleichwohl so abgeschnitten
daß die Briefe an mich nur erst nach 10–12 Tagen anlangten,
da keine Post, u nur selten Boten nach Tetschen gehn.
Ich erfuhr also Ihre Ankunft in Dresden nur als zufällige
Novität aus dem Briefe eines Freundes in meinem Felsensitz
als Sie schon wieder fort waren. Doch wäre ich auch in Dresden
gewesen, es würde mich nicht befremdet haben, wenn Sie mich
nicht aufgesucht hätten; ich lebe überall so still daß mich
selten Jemand aufsucht, wenn nicht etwa Freunde, durch Briefe
an mich, einen Reisenden erinnern daß ich lebe u wo? Wenn
ich nun auch auf keinen Drang gehofft, der Sie zu mir führen
würde, so würde ich noch minder einen Grund geahnt haben, wie
den, von dem Sie sagen, daß er Sie entfernt hielt. Ich weiß
nichts von einem Dresdner Cliquenton, habe Zeit meines
Lebens nur meinen eignen angeschlagen, u hoffe, er
hat einen reinen Klang, u kümmere mich überhaupt so
blutwenig um die Außenwelt, daß ich nicht einmahl
Zeitungen lese. Vergönnen Sie mir nun noch Ihnen
mein

Seite „219r“

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Befremden über das zu äußern, was Sie von Jean Paul
erwähnen.
Ich habe diesen alten Freund vom Tage seiner Ankunft in
Dresden, bis zum 7 May, wo ich ihn verließ so schlicht u
treu, so hingebend, wahr u herzig gefunden, als vor 26
Jahren, wo ich ihn für das Leben liebgewonnen. Ruhmvoll,
wie Sie ihn nennen, könnte dann doch wohl nur ein unrühm-
licher Mensch seyn, denn man kommt nur über das von
Sinnen, was man nicht zu erlangen weiß. Vergeben Sie [mir]
diesen Zweifel! Was irgend mit ihm seit meiner Abreise [vor-]
gegangen habe ich in meiner glücklichen Abgeschiedenheit in Boeh-
men nicht erfahren. Seyn Sie auch überzeugt daß dieser
Ausdruck aus Ihrem Schreiben nicht nur dufftet. Ich verab-
scheue jeden Mißbrauch mit Briefen, weil das Willkom-
men, wie das Ungeziemende in welcher Form an Mittheilung
vom Menschen zum Menschen es sey, freie Gabe des Ver-
trauens, u jedes Vertrauen mir heilig ist. Schließlich danke
ich Ihnen noch für das Ehrende, was Sie über mein Streben
u Wirken sagen. Es gehört mehr dem innern Selbst als der
Naturgabe u ihrer etwaigen Ausbildung, deshalb ist mir ein
solches Lob das Erfreulichste. Ich wünsche Ihnen einen schönen
Frühling u heitre Weise des guten Geistes
HelminavChezy
Wien d. 22 Feb: 1825.

Seite „219v“

Sr wohlgebornen
Der königl. Preußische
Hofrath Müllner

Weissenfels

Hiebey Stundenblumen
1ster Theil