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Brief von Helmina von Chézy an Amalia Schoppe

o. O., 3. Juni 1821
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 47 Chézy Helmina von, Bl. 243 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Helmina von Chézy
Empfänger/-in
Amalia Schoppe
Datierung
18. August 1828
Absendeort
Empfangsort
Hamburg
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 185 mm; Höhe: 230 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Jadwiga Kita-Huber; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „243r“

243

[Karl August Varnhagen]
Helmina von Chezy an Amalia Schoppe.
3. Juni 1821.
Liebe Amalia, ich habe Ihre beiden Briefe richtig erhalten. Von der Grosfürstin habe ich blos
Nachricht bekommen, daß sie den Brief an die Kayserin Mutter richtig besorgt u
empfohlen hat, u Prof: Schlenkert habe ich auch gesprochen, es ist nun eine Stimmung
über diese Sache, die Ihnen gewiß noch Segen bringt. Mein Buchhändler benimmt sich
sehr zaghaft u wunderlich, ich erwarte morgen eine entscheidende Antwort von
ihm, dann werde ich wohl die Iduna
wo anders unterbringen müssen. Wäre
dieser neue Unfall nicht, unsere kleine Angelegenheit wäre längst zu Ende. Sie
haben keinen Begriff davon, wie weh das mir thut.
Was soll ich Ihnen von der Tarnow sagen? Sie ist noch immer in der Schössergasse

in ihrer Logis von 5 Thaler monatl. u noch immer in guten Häusern aufgenommen. Diesen
Sommer geht sie auf einige Zeit nach Schandau. Fr: v. Alefeld hat ihr hier bey Böttger eine
Beschämung zugefügt,
die sie blos der eisernen Stirn zu danken hat, mit welcher
sie auf diese ihr fast unbekannte Frau mit offenen Armen zu rauschte, denn Fr: v.
A.
würde gar keine Notiz von ihr genommen haben, wenn sie sie in Frieden gelassen
hätte, dagegen hat die Tarnow hier gesagt: Sie würde Fr: v. A. besucht haben (wer besucht denn
Fremde, die uns nicht aufsuchen?) allein sie hätte sie vermieden, denn da sie so vertraut wären,
so würde sie ihr doch über mich klaren Wein haben einschenken müssen, u sie hätte mir das
nicht zu Leide thun, u mir diese Freundin nicht auch noch nehmen wollen! Sie lebt
vermuthlich (zum Theil) mit von Vorschüßen u Schenken, thut aber groß u putzt sich
sehr, daß sie Liljen
herausgiebt, wissen Sie doch? Die Stimmen sind über sie um so mehr
getheilt, als man aus dem Meklenburgischen
nichts Gutes von ihr hört, u als sie bey
Menschen, die in das Innere blicken, kein Vertrauen hat. Was wirkliche Freundinnen
von mir waren, dahin folgt sie keinen Fuß, u hat zu Niemanden meiner ehmaligen Freunde
Bekannte Zutritt als zu Fr: Therese v. Winkel, zu Graf Kalkreuth u Tieck, doch
bey Letztem sehr wenig. Mit der Ersten war ich früher gespannt,
mit dem 2ten
brouillirt
, u mit Tiecks kalt, an den allen habe ich nichts verloren. Reden
u Schwindeln thut sie so in einen Athem, daß die Dresdner alle anfangen stutzig
zu werden, u mich reißt sie herunter, wo sie weiß u kann, dagegen ich ange-
fangen habe sie zu vergessen, u mich schon ihr gegenüber ganz ohne Bewegung
befunden habe. Mein fester Glaube ist, daß ich an ihr die glänzendste Genugthuung
erleben werde, u ich bin ganz ruhig darüber.
Hoffentlich, Liebe, bald angenehmere
Nachrichten, ich grüße Sie
theilnehmend von Herzen, HvCh

d. 3 Junius 1821.

Seite „243v“

Ich erinnere mich nicht, ob ich Sie auf das Ideal
im Januarheft des Mgnbllts von der Tarnow aufmerksam

gemacht, wo sie sich selbst en beau hat malen wollen? Lesen Sie es doch, es ist psychiologisch merkwürdig.

Sodann weiß ich nicht, ob ich Ihnen das Geschichtgen vom Theelöffel geschrieben? Diesen Herbst muß sie sich Löffel
gekauft haben, wahrscheinlich vom Trödel, es wird Ihnen erinnerlich seyn, daß sie keinen Theelöffel
hatte. Diesen vergangnen Herbst hat sie Gesellschaft. Ein Herr bemerkt auf dem einen Theelöffel ein gräfliches Wappen,
das ihm auffällt, u fragt die Tarnow, wie sie zu diesem Löffel gekommen? Sie sagt: Dies ist ein theures
Familien-Erbstück, seit Jahrhunderten im Hause, es kommt von meinen Vorfahren, mein Großvater hat erst
sich seinen Rechte begeben, meine Familie ist ursprünglich eine Gräfliche, u wir hießen: Tarnowsky! Ich
wurde gefragt, was denn seyn möchte, u mußte schon lachen, da ich ihr mit einem Theelöffel aushelfen müssen,
u da sie zuletzt in Schandau sich einen von Zinn kaufte. Das Factum ist übrigens authentisch.
Meine besten Grüße an Dr. Assing u dessen vortreffliche Frau.
An die Frau Doktorin
Amalie Schoppe geb. Weise
A. B. C. Straße

Hamburg.