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Karl Gutzkow

Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Gutzkow absolviert das Friedrichswerdersche Gymnasium in Berlin und studiert anschließend Theologie, Philosophie und Jura, u.a. bei Schleiermacher, Hegel, August Boeckh und Friedrich Heinrich von der Hagen. 1832 wird er zum Dr. phil. promoviert und entscheidet sich, nachdem er zuvor bereits Erfahrungen als politischer Publizist, Rezensent und in belletristischen Formaten gesammelt hat, als freier Schriftsteller zu leben. Vorbilder in der Schreibweise und im intellektuellen Habitus sind ihm Jean Paul, Ludwig Börne und Wolfgang Menzel. 1832 erscheint seine erste selbständige literarische Buchveröffentlichung „Briefe eines Narren an eine Närrin“ (Hamburg: Campe), die in Preußen bereits kurz nach ihrer Veröffentlichung verboten wird. Im Rahmen seiner publizistischen Arbeit wird er zum Förderer Georg Büchners, dessen zugleich politisch und künstlerisch exponierte Werke aus seiner Sicht Vorbildcharakter haben. Nach Büchners frühem Tod gibt er dessen Nachlass heraus.

Die Veröffentlichung des Romans „Wally, die Zweiflerin“ (1835), die ihm den Vorwurf der Verächtlichmachung des christlichen Glaubens und in der Folge Haft sowie in vielen Ländern das Verbot seiner Schriften einträgt, wird zu einem weiteren biographischen Wendepunkt. In Hamburg übernimmt er die Redaktion des von Campe verlegten Periodikums „Telegraph für Deutschland“, darf aber als Redakteur nicht genannt werden. In den 1840er Jahren bieten ihm die Arbeit an dramatischen Werken sowie theaterpraktische Tätigkeiten die Möglichkeit, jenseits der vielerorts für ihn wie für andere jungdeutsche Autoren nach wie vor gültigen Publikationsverbote wirksam zu bleiben. Seine politischen und namentlich kulturpolitischen Vorstellungen reichen dabei dezidiert über die Grenzen deutscher Kleinstaatlichkeit hinaus: Die Debatte über den preußisch-österreichischen Antagonismus, den Gegensatz Berlin–Wien, wird bei ihm erweitert um eine nicht durch Polemik verblendete, reflektierende Perspektive auf Frankreich und Paris, wohin er 1842 reist. Die Revolution 1848/49 erlebt er in Berlin, danach verschiebt sich der Schwerpunkt seines Schaffens wieder auf die Erzählprosa: 1850/51 erscheint der neunbändige, mit einer programmatischen Vorrede versehene Zeitroman „Die Ritter vom Geiste“, 1758–61 folgt, nicht weniger ambitioniert, „Der Zauberer von Rom“.

Gutzkow ist rund 30 Jahre jünger als die im Projekt erforschten Schriftstellerinnen, die in den 70er und frühen 80er Jahren des 18. Jahrhunderts geboren wurden. Daraus geht eine gewisse Aufmerksamkeits-Asymmetrie hervor: Die ältere Generation nimmt den von Skandalen verfolgten jungen Gutzkow durchaus wahr, die einen mit deutlicher Reserve, die anderen mit interessierter Offenheit, weil sie sich – vergeblich – der Hoffnung hingeben, für die nachrückende Dichterschule Leitbildfunktion übernehmen zu können. Auch in der anderen Richtung, auf Seiten Gutzkows und seiner Freunde, sind viele Empfindlichkeiten im Spiel, die jedoch durch Gesten der entschiedenen Abgrenzung überspielt werden, zum Beispiel wenn Gutzkow in Paris gegenüber George Sand, die sich mit Respekt über Chézy äußert, versichert, diese habe indessen „nur noch eine Stellung in der Memoirenliteratur“ – eine Äußerung, die die solcherart Zurückgesetzte ihrerseits zum Ausgangspunkt einer literarischen Debatte zu machen versucht. Gutzkow reagiert kühl und mit Verweis auf die Zeitläufte. Der Dissens trägt sich aber in Gestalt sehr unterschiedlicher Dokumente, in denen Chézy die Kränkung für sich und im Dialog mit anderen verarbeitet, in die Sammlung Varnhagen ein.

Jörg Paulus

Literatur

Karl Gutzkow:
Briefe aus Paris</en>. Bd. 2.
Leipzig 1842.

Martina Lauster:
„Karl Gutzkow (1811–1878)“. In: Handbuch Vormärz. Hrsg. von Norbert Otto Eke im Auftrag des Forum Vormärz Forschung. Bielefeld 2020, S. 776–782.

Jadwiga Kita-Huber und Jörg Paulus:
„‚Ich habe diesen Pfeil in den Köcher zurückgeschoben.’ Spuren eines abgebrochenen Streits in den Beständen der Sammlung Varnhagen (George Sand, Karl Gutzkow, Helmina von Chézy)“. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie (im Druck).