George Sand
Die in einer ‚Mesalliance‘ zwischen einem aristokratischen Oberst und einer Modistin geborene Autorin wurde europaweit für ihr Eintreten für die Gleichberechtigung der Frau und die Überwindung von Standesvorurteilen gefeiert und geächtet. Als meisterhafte Stilistin wurde sie indes auch von ihren Gegnern bewundert. Nach dem Tod des Vaters bei der standesbewussten Großmutter aufwachsend und ab 1813 in einem Augustinerkloster erzogen, war sie ebenso durch das aristokratische und religiöse Milieu geprägt wie später durch ihre Sympathie für die unteren Klassen und ihre Neigung zur Romantik – in der Literatur wie im Leben, in dessen Verlauf sie zahlreiche Beziehungen mit Künstlern ihrer Zeit einging.
Nachdem sie 1822 den Leutnant Casimir Dudevant geheiratet und zwei Kinder mit diesem bekommen hatte, trennte sie sich 1831 von ihm und ließ sich schließlich scheiden. Allein diese selbstbewussten Entscheidungen zogen ihr Zorn und Spott der Zeitgenossen zu, ebenso irritierte ihr Plan, als Schriftstellerin für sich selbst zu sorgen. Ihren ersten Roman schreibt sie noch gemeinsam mit Jules Sandeau unter dem dessen Namen abkürzenden Pseudonym J. Sand, das sie später als George Sand auf sich allein übertragen wird (schon Heine betont, dass es keinerlei Bezug zu dem Kotzebue-Attentäter Sand gibt, wie manchmal vermutet wird).
Als rauchende, Männerkleidung tragende Verfasserin von zunächst libertinären („Indiana“, 1832, „Lélia“,1833/1839), dann mystisch-spiritiuellen („Spiridion“, 1839) und schließlich sozial engagierten oder auch sozialistisch zu nennenden Romanen („Le Compagnon du Tour de France“, 1840) wird sie zur europäischen Berühmtheit. Als schreibende Frau ist sie Vorbild und Inspiration zahlreicher Autorinnen von Ida Hahn-Hahn bis Fanny Lewald, die man eine „deutsche George Sand“ nannte. Selbst solche, die Sand wegen ihres sittenwidrigen Verhaltens ablehnen wie Annette von Droste-Hülshoff werden ungewollt mit ihr in Verbindung gebracht. Sand fühlte sich in Helmina von Chézy einer deutschen Autorin der älteren Generation verbunden, was wiederum bei der jungen Generation auf Unverständnis stieß. Wegen eines spöttischen Artikels, in dem August Lewald 1836 Sands Unkenntnis der in Deutschland so zahlreichen talentierten jüngeren Autorinnen wie Bettina von Arnim, Rahel Varnhagen, Charlotte Birch-Pfeiffer oder Ida Hahn-Hahn verspottete, kommt es zu verstimmten Nachfragen von Seiten Chézys bei George Sand. Ein Vorfall, der sich kurz darauf mit Karl Gutzkow wiederholt. Mit ihren sozialkritischen Romanen wird sie zum Vorbild ganz unterschiedlicher Autorinnen und Autoren weit über die Zeit des deutschen Vormärz hinaus. Gutzkow steht etwa mit „Wally, die Zweiflerin“ (1835) ebenso in ihrer Tradition, wie Fanny Lewald, aber auch Leopold von Sacher-Masoch, dessen „Venus im Pelz“ (1870) ebenso viel ihrer „Lélia“ verdankt wie seine sozialistischen und dennoch aristokratischen politischen Ideen sich auch schon in den Schriften von Sand finden.
Literatur
Julian Schmidt:
„George Sand.“ In: Die Grenzboten 1 (1851), S. 321–335, 368–380, 405–414 [31.10.2022].
Kerstin Wiedemann:
Zwischen Irritation und Faszination: George Sand und ihre deutsche Leserschaft im 19. Jahrhundert.
Tübingen 2003.]