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Brief von Caroline Pichler an Helmina von Chézy

Wien, 28. März 1818
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 142 Pichler Caroline, 28.03.1818 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Caroline Pichler
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
28. März 1818
Absendeort
Wien
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 118 mm; Höhe: 195 mm
Foliierung
Keine Foliierung durch das Archiv vorgenommen. Keine Paginierung durch die Absenderin vorhanden.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Katarzyna Szarszewska; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

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[Karl August Varnhagen]
Karoline Pichler an Fr. v. Chézy.
1818.
Hochwohlgeborne verehrte Frau!

Ich bin wohl sehr strafbar, Ihren werthen und gütigen Brief vom
22ten Junius d. v. J. erst jetzt – nach vollen 9 Monaten zu beantwor-
ten, aber es ist doch Manches was ich zu meiner Entschuldigung anführen
kann, nähmlich einige Reisen aufs Land während der Sommerszeit,
dann vielerley häusliche Verrichtungen, und endlich ein Augenübel,
das durch acht bis neun Monate anhielt, mich dann auf kurze Zeit
verließ und sich seit einigen Wochen wieder einstellt. Es ist von der Art
daß es mich zwar nicht im Sehen hindert, so wie man äußerlich am
Auge auch nichts gewahret, mir aber jede längere Anstrengung
empfindlich, und daher, zu meinem großen Mißvergnügen jede
feinere Handarbeit unmöglich macht. Auch Schreiben sollte ich nicht
viel wie der Arzt meint, und doch hatte ich ein Werk von größtem
Umfang begonnen,
und sehr gewünscht es zu beendigen. Die-
ser Arbeit waren, nebst den dringendsten anderen Geschäften um
dies Stunden gewidmet, welche ich mit dem Schreiben zubringen durften
und so kam es, daß viele Briefe und andre – wie immer verschieb-
bare Arbeiten lange liegen blieben.

Mit Vergnügen habe ich aus Ihrem Briefe sowohl als aus öffentlichen
Blättern ersehen, daß jener Proceß, der in jeder Hinsicht für Sie krän-

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kend seyn mußte, zu Ihrer Gunsten und Ihrer Zufriedenheit
entschieden worden ist,
auch Gräfinn Dietrichstein, die würdige
Vorsteherinn unsres hiesigen Damenvereins
der ich sogleich da-
mahls die Nachricht aus Ihrem Briefe mittheilte, läßt Ihnen
herzlich dazu Glück wünschen. Sie weiß recht gut, mit welchen
Hindernissen von Selbstsucht, Schlendrian, Boßheit und übeln
Willen man zu kämpfen hat, wenn man Etwas Gutes durch-
setzen will, und sie weiß versteht also gewiß, so wohl Ihre Verwendung
für das allgemeine Beste zu würdigen, als auch zu bemessen
wie sehr Sie sich durch jene schädlichen Einwirkungen gekränkt fühlen
mußten.

Mit Verlangen sehen wir, so wie die ganze litterarische Welt, der
Erscheinung Ihres versprochenes Werkes
entgegen, als ich vor
einigen Wochen mit nacheinander zwey Briefe aus Heilbronn
und Ulm von Kunstleuten erhielt, welche mir die Absendung
und nahe Ankunft eines Ballens Bücher melden welcher 115 Exemplare
Ihres uns verheißenen Werkes
enthalten sollten. Da ich nun nicht

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begreifen konnte, was Ihre Absicht wäre diese bedeutende Zahl
von Exemplaren mir zuzusenden, da ich nur auf ungefähr einige
Zwanzig für die Gesellschaft
und mich pränumerirt hatte, erwartete
ich die Ankunft des Pakets selbst, in welchem ich mir Weisung
über die Vertheilung oder Bestimmung der selben zu finden hoffte
Vorgestern meldete man mir nur die Ankunft des Schiffers mit
dem Ballen, ich sandte ein f
die Maut, man schickte die Bücher
weil sie nicht ohne vorhergehende Censur verabfolgt werden, auf
dieses Amt – der Ballen wurde eröffnet, er enthielt ein Paket
mit der Überschrift an H v Hammer, und die übrigen Exemp-
plare, aber keinen Brief. Ich nehme mir also die Freyheit
mich bey Ihnen anzufragen was mit den Übrigen Büchern
geschehen soll und ob Sie sie andren hiels hiesigen Prenumeranden
zugedacht haben.

Noch habe ich leider das Buch selbst nicht lesen können, denn da das
Abhohlen an der hiesigen Hauptmauth
besonders bey Büchern, für
Privatpersonen, die nicht wie Buchhändler hierin die nöthige
Wege und Erleichterungen wissen, mit allerley Umtrieb und Beschwer-

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den verbunden ist, erhielt ich aus großer Gnade der Censur erst nach
gestern nach Tische Ein Exemplar das ich sofort zum Buch-
binder sandte, und noch nicht zurückbekommen habe. Ich freue
mich aber sehr auf den Genuß den es mir gewähren wird, und
die vielen köstlichen Stunden, welche ich Ihrem Genius danken
werde.

Nehmen Sie zum Schluße noch die Versicherung der aufrichtigsten
Hochachtung an, womit ich die Ehr habe zu seyn

Ihre

Wien am 28ten März 1818

ganz ergebenste
Caroline Pichler geborne
von Greiner