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Brief von Fanny Tarnow an Helmina von Chézy mit einem Antwortschreiben von Helmina von Chézy

o. O., [nach dem 12. Juli und vor dem 17. August 1820]
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 241 Tarnow Fanny, Bl. 63-64 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Fanny Tarnow
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
nach dem 12. Juli 1820 und vor dem 17. August 1820
Absendeort
Empfangsort
Dresden
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 125 mm; Höhe: 205 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription und Annotation durch Renata Dampc-Jarosz; Auszeichnung nach TEI P5 durch Betty Brux-Pinkwart; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „63r“

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[Karl August Varnhagen]Fanny Tarnow

Der von Ihnen ergriffne Ausweg in Bezug auf das
Titelblatt der Iduna
entspricht ganz meinen Wünschen,
da zu vieles trennend zwischen uns steht, als
daß irgend eine Gemeinschaft der Art zwischen
uns statt finden dürfte. –
Oft ist mir Ihre Ver-
blendung mir eine feindselige Handlungsweise
gegen Sie aufdringen zu wollen, unerklärlich –
ich weiß mich auch von dem kleinsten Unrecht
gegen Sie frei u ueberlasse es der Zeit
u Ihrem Gewissen, das Gefühl Ihres Unrechts
gegen mich in Ihrer Seele zu erwecken.
Einfach u strenge wahr in allen meinem
Thun, u jeder Intrigue eben so abhold als
ungeschickt dazu, brauche ich das schärfste
Auge nicht zu scheuen – man kann mich ver-
läumden – aber wer mich kennt, kann u wird
mir die Achtung nie versagen, die der
Rechtlichkeit, der Wahrheit u der Gutmüthig-
keit gebührt. – Sie haben gesucht mir
viel Böses zu thun – es ist Ihnen
nicht gelungen – ja, ohne daß Sie es ahnen,

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sind Sie gerade dadurch das Werkzeug
geworden, durch das die Vorsehung mir
eine der größten Wohlthaten erzeigt
hat – aber Sie haben sich früher gut u gefällig
gegen mich erzeigt: das werde ich nie
vergessen u es macht mir die Pflicht
Ihnen nie Böses mit Bösem zu vergelten,
leicht u angenehm. In meinem Herzen ist
keine Spur von Haß gegen Sie u ich
scheide von Ihnen mit dem aufrichtigen
Wunsch, daß es Ihnen nie an innrer u
äußrer Zufriedenheit fehlen möge.
Leben Sie wohl.
Fannÿ Tarnow.
17 August 1820
Ich habe gegen Sie nicht offensiv, nur defensiv gehandelt, u
wüßte nicht was ich gesucht hätte Ihnen Böses zu thun. Auch
Sie haben mir eine Wohlthat erwiesen, indem Sie mich durch
eine Erfahrung bereichert haben, die in der Schale, deren Herbigkeit
ich immer noch schmecke, gewiß süßen Kern trägt, wenn ich mich
gleich nicht rühmen kann die durch Sie mir von höherer Hand
aufgelegte Prüfung gut bestanden zu haben, denn ich bin oft hart

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hart u bitter gewesen, u habe mich schonungslos ueber u
gegen Sie ausgedrückt. Wären Sie nicht so furchtbar verstockt
mir Dinge, von denen ich ganz vollkommen ueberzeugt bin, läugnen
zu wollen, so hätte ich Hoffnung, daß Sie noch umkehren könnten
so hätte ich gehofft es thäte Ihnen Leid mir Gutes mit Bösem
vergolten zu haben, u dann wäre bei Gott alles vergessen,
alles verziehen gewesen! Glauben Sie, ich fühle meinen Mangel an
Vollkommenheit, meine Schwächen tief, u es thut mir leid meines
Unwillens über Sie nicht dreister gewesen zu seyn, doch über
Sie wandelt mich ein Schauder an, u ich wollte, ich hätte mir durch
Mangel an Haltung in unserer Entzweiung das Recht nicht verscherzt
Sie dringend zu bitten das zu thun, was auch der Beßte thun muß:
in sich zu gehen! Sie werden nicht ohne Schmerz u Hohn diese Zeilen
lesen, aber glauben Sie mir, ich schreibe sie ohne Feindseligkeit! Es
schlägt vielleicht eine Stunde, wo die Wahrheit in Ihrem Gewissen laut
wird, wo Sie Trost suchen u sich selbst entfliehen möchten, ich werde
dann gegen Sie eben so herzlich wieder seyn können, als ich lange
Zeit schmerzlich empört war. Ich hasse bey Gott, nur das in Ihnen,
was Ihren höhern Eigenschaften entgegenschreitet, nicht Sie! Sie
aber müssen, so lange noch Schlechtigkeit in Ihnen wohnt, in
mir das Gute hassen, das mir der Neid nicht absprechen kann,
u das mein strenggeprüftestes Bewußtseyn mir zuerkennt.
Wäre ich Ihnen nicht so unaussprechlich treu ergeben gewesen, hätte ich Sie nicht
für einen Engel gehalten, an dessen Streben mein eignes Wesen zu einem höheren Einklang

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reifen sollte, ich würde nicht so schwer gezürnt haben, doch es geht mitunter
so, daß aus unsern schönen Eigenschaften wiederum auch Böses entsteht, u
so mußte ich denn Sie so herzlich lieb haben können, damit mein ganzes
Innere durch die traurige Enthüllung Ihres eigentlichsten Wesens stürmisch
aufgeregt, tödtlich verletzt wurde. Sie, die sich auf dem vor mir liegenden
Blatte rühmen, daß Sie: einfach u strenge wahr in allem Ihren Thun
voll Rechtlichkeit, Wahrheit u Gutmüthigkeit sind – haben mir u.a.
schriftlich vorgelogen, daß ein Opfer einer unrechtmäßigen Liebe sterbend
ihr Geheimniß an Ihre Brust gelegt, u Sie hatten sie nie gesehen
sie hat Ihnen nie von dieser Geschichte geschrieben, die Gottlob ungegründet
ist, nie, ich weiß auch dies ganz genau! Was bewog Sie an der
durch Meuchelmord gefallnen Edeln einen zweyten Meuchelmord
über seinem Grabe zu verüben, u die frische Gruft zu beflecken?
Wenn Sie, wie ich selbst dazumahl auf Ihre Mittheilung that, die
durch den erlogenen Umstand des Geständnisses einer Sterbenden
so viel Wahrscheinlichkeit erhielt – einen Dritten, Achtungs
werthen, doch Ihnen gleichfalls Unbekannten Glauben beimaßen,
warum warfen Sie sich zur Vertreterin dieser Geschichte auf,
warum kamen Sie damit hervor nun der Todte sich nicht mehr
vertheidigen konnte, u wie konnten Sie meinen noch so frischen
u so tiefen Schmerz dadurch schärfen, wenn Sie nicht die heiligste
Gewißheit hatten? Heißt das einfach u wahr seyn? O, entsagen
Sie um Gotteswillen der Lüge, ich könnte Ihnen noch eine Menge
Beispiele von den Ihrigen aufzählen, doch erst hat der Lügende die
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[Fanny Tarnow]An
Frau von Chézÿ.