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Brief von Charlotte von Ahlefeld an Helmina von Chézy

Weimar, 15. Januar 1847
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 1 Ahlefeld Charlotte von, Bl. 27-28 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Charlotte von Ahlefeld
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
15. Januar 1847
Absendeort
Weimar
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 125 mm; Höhe: 195 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Renata Dampc-Jarosz; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

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[Karl August Varnhagen]Charlotte von Ahlefeld geb. von Seebach
an Fr. v. Chézy.
Weimar den 15ten Jan 46
Meine liebe theuere Freundin, ich nehme, sehr
betrübt über das Unglück
, das Sie gehabt ha-
ben, die Feder zur Hand, um Ihnen einige
Worte zu schreiben. Viel wird es nicht wer-
den, denn meine Augen, jezt mehr wie
je durch den blendenden Schnee ge-
schwächt, erlauben mir nicht, wie ich so
gern möchte, lange Briefe. Aber schwei-
gen
konnte ich nicht, denn ich fühle Ihnen
nach, wie schmerzlich es ist, ein gelieb-
tes Kind zu verlieren, ob mich gleich
Gott vor der eigenen Erfahrung eines sol-
chen Verlustes bewahrt hat. Der liebe
schöne Max! Ich dachte manchmal an
ihn, was er wohl für ein anmuthiger
Jüngling und Mann geworden wäre,
und wünschte ihn zu sehen. Nun deckt
ihn das Grab schon in frischer Kraft des
Lebens. Ich kann mich der tiefen Weh-

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muth nicht erwehren, wenn ich an Ihn und
an Sie denke. Möge Gott Sie trösten
und Ihnen den Glauben senden, daß er
wohl aufgehoben ist. Dies würde ein
lindernder Balsam für Ihr blutendes
Herz seyn. Maltiz sagte mir in einer
Gesellschaft, daß er gestorben sei.
Ich war so erschüttert, daß ich für
nichts anderes Sinn hatte. Der junge
Wagner, der in Heidelberg schon ein-
mal mein freundlicher Bote an Sie
war, ließ mir eben wissen, daß er
diese Nacht abreise. Da raffe ich mich
nun sehr zusammen, um ihm was
mitzugeben. Ach, wäre ich nicht so arm
ich würde ihn schwer beladen. So
aber bringt er nur Unbedeutendes,
von dem es heißt: wenig, aber mit
Liebe.
Ich kenne Ihr Gemüth, und

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wage es darauf hin, Ihnen einige schlechte
Schnupftücher zu schicken, wie ich sie selber
trage. Denn an Eleganz ist bei mir nicht
zu denken, da ich froh seyn muß, nur
das allernothwendigste zu haben. Wenn
man jung ist, entbehrt man leicht, aber
im Alter thäte es doch wohl, sich einige
Annehmlichkeiten des Lebens gewäh-
ren zu können. Indes finde ich mich
mit strenger Entsagung und Beschränkung
in das was ich nicht ändern kann. Sehr
leid ist es mir aber doch, daß ich
nie jemand bei mir sehen kann, wer
mir bequem und angenehm wäre. Ich
habe aber viele Bekannte und Freunde
die mich sehr oft einladen, was mir
eine Erholung u. Erheiterung ist. Am
Hof
gehe ich schon lange nicht mehr, da
Luxus eine verbotene Sache für mich
und meine leere Tasche ist. Wie sehr
wünschte ich, recht viel von dem lieben

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Max und seinem Tode zu wissen, ob er sanft
entschlummerte oder viel leiden mußte,
ob er sich des Sterbens bewußt war
oder nicht? Auch von seinen Kunstlei-
stungen möchte ich etwas hören. Ach
ich sehe ihn noch als fröhlichen Knaben
wie wir in der Sächsischen Schweiz wa-
ren
. Greift es Sie nicht zu sehr an, so
schreiben Sie mir über ihn – ich kann
ihn gar nicht vergessen.
Der junge Wagner ist ein so guter
freundlicher Mensch; vielleicht schließt er
einen Brief an mich von Ihnen an seine
hiesigen Verwandten ein. Sollte das
aber nicht seyn, so bitte ich: schreiben
Sie mir unfrankirt, denn für Ihre
Briefe gäbe ich gern den lezten Heller.
Adieu, meine geliebte Freundin, in
stets treuer Liebe bis zum Grabe.
Ihre CharlottevA.