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Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

Winterhude, 28. Mai 1830
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 139 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
28. Mai 1830
Absendeort
Hamburg
Empfangsort
Hamburg
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 193 mm; Höhe: 240 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „139r“

139

Assing
Von Stunde zu Stunde, meine theure Rosa, habe ich auf günstigeres
Wetter gehofft, um Dir mündlich meinen Glückswunsch
darbringen
zu können; jetzt ist es 3 ½ Uhr und ich muß mich zu einer Ge-
sandtschaft
entschließen, so wie zugleich zu einer schriftlichen
Note.
Daß es mit letzterer etwas inniger gemeint ist, als mit den
Noten der Höfe bei solchen Gelegenheiten, weißt Du, ohne
daß ich es Dir zu sagen brauche. Auch dichten wollte ich
dazu, und dichtete wirklich, als Dein sonst so poetischer
Gemahl, gleich der Prosa, meiner Begeisterung durch
sein Erscheinen in den Zügel fiel; Du hast Dich also,
wegen eines Geburtstags-Carmen, an ihn zu halten.
Was bringe ich denn sonst dar, als ein ärmliches Feigen-
blatt – nicht um Deine Blöße zu decken, denn ich kenne
keine an Dir – sondern als Fähnchen für die projec-
tirte Reise, wozu es Dir paßlich und angenehm
sein möge.
Im Pfingsten hoffe ich Dich zu sehen, und zwar bei mir;
nur wähle nicht den ersten Pfingsttag
, weil ich dann
einige Prosa – wenn zwar gute, sehr brave, doch
Prosa – abzufüttern habe, nämlich meine tausend
Gefälligkeiten für mich habenden Seitz’s, mit Laden-
Jungfern, Ammen, Kindern etc. Es wird dies ein saurer
Tag für mich werden, obgleich ich die guten Leute herzlich
lieb habe; nur die Conversation! O Gott, mir wird
mein zwölfbändiges Convers. Lexicon nicht einmal
etwas helfen! Indeß, Vater Goethe sagt:
„Mag kommen, was da kommen mag, etc.

Seite „139v“

Meinen abgekrigten Theil im „Literaturblatte“
von Menzel habe
ich endlich gelesen und kann Dir mit Freude sagen, daß der

armselige Rezensent mein Buch nicht gelesen, nicht einmal
durchblättert hat. Er sagt am Schlusse, ich billige die Fehler
meiner Helden und lasse sie sich am Ende mit einander
versöhnen,
während das Buch einen durchaus tragischen Aus-
gang hat und ich darauf hinweise, daß meine Leute in Folge
der von ihnen begangenen Fehler untergehen.
So wird jetzt die Kritik gehandhabt, so mit dem Höchsten
umgegangen, was wir nur haben, mit Geisteswerken! Du
weißt, daß ich mich sehr geduldig tadeln lasse; indeß, dies
ist denn doch zu arg und verdiente Bestrafung.

Doch genug davon, denn es ist eine wahre misère.

Die beifolgenden Blumen mögen Dir zeigen, daß wir hier
bereits Pfingsten haben, nämlich die Rosen dazu: diese Erst-
linge der Blumenkönigin schmücken würdig Dein Wiegen-
fest.

Adieu, Theure, Geliebte! Adieu, meine Rosa! Aller Segen
des Himmels sei mit Dir und den Deinen!

Ewig Deine treue

Amalia.

Winterhude d. 28tn Maÿ 1830.