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Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

[Hamburg], 7. Dezember 1825
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 117 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
7. Dezember 1825
Absendeort
Hamburg
Empfangsort
Hamburg
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 215 mm; Höhe: 265 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Erstdruck: Thomsen, S. 261–262.

Seite „117r“

117

Assing
Meine t[heure] Rosa!

Hiebei einige Zeilen an Deinen Bruder, die ich einzulegen bitte, wenn Dein Posttag geschlossen
sein wird. Wäre das Wetter, wenigstens unter den Füßen, nicht so mörderlich, so brächte ich
sie Dir selbst; so aber bleibe ich ruhig am Pulte, Dich innigst bittend, mir den Sonntag bestimm-
ten Besuch in den nächsten Tagen zu schenken; solltest Du können, so würdest Du mich mor-
gen Abend sehr dadurch erfreun, sonst einen andern Tag, wenn es Dir besser passen soll-
te. In der vorigen ganzen Woche war ich jeden Abend zu Hause; nur Sonntag hatte
ich mich versagt – das traf sich nun so übel! Gestern habe ich die neue Oper gesehen; sie
ist recht hübsch, obgleich aus der Composition manche Reminiscenzen hervorschimmern.

Nun habe ich eine freundliche Bitte an Dich. Solltest Du Lust und Laune haben, Dein Urtheil über
meine „Verwaisten“
schriftlich auszusprechen, so würde es mich sehr freuen, wenn Du es im
Gesellschafter
thätest; daß ich Tadel, besonders den der Liebe und Theilnahme, ertragen
kann, weißt Du: also ganz und gar um Deine Herzens-Meinung bitte ich; indeß sollst Du
Dir nicht den geringsten Zwang damit auferlegen, wie ich es nicht im geringsten übel
nehme, wenn Du innere Gründe hast, es nicht zu thun.

Daß der Abend im Conzerte Dir heiter hinfloß, freut mich; es werden sich hoffentlich noch
mehr Veranlassungen zu solchen kleinen Aufheiterungen im Laufe des Winters
finden.

Ich bin jetzt so fleißig wieder, wie lange nicht und schreibe meinen neuen Roman
mit
steigender Lust und Liebe; vielleicht macht das das Buch gut. Meine Erzählungen
samm-
le ich jetzt; im nächsten Jahre erscheint der erste Band in Leipzig. Es ist mir angenehm,
das Zerstreute so wieder zusammen zu bringen; indeß arbeite ich Alles wieder
durch, bevor es aufs Neu im Druck erscheint, und auch das ist angenehm wie vor-
theilhaft. Deine Freundin ist nun einmal im Gange, und wie die Bücherverlei-
her sagen, eine Lieblingsschriftstellerin der lesenden Frauenwelt; das will leider
aber sehr wenig sagen, denn schriebe sie gut, so würden die Männer es auch lesen
mögen. Aber es wird ja so viel Papier mit Tinte und Druckschwärze beschmutzt,
warum sollte ich denn nicht die Vortheile genießen, die mir die Gunst der Lesewelt
gewährt? Und die Kinder müssen doch auch Brod haben!

Grüße und küsse die Deinigen von mir und behalte mich lieb, wie ich Dich immerdar
lieben werde!

Ganz Deine

Amalia.

d. 7tn Dec: = 25.

NS: Unser Schlachter bekömmt seinen Wahnsinn wieder – das ist eine trübe Aussicht auf
die nächste Zeit; ich sehne mich innigst aus dem Hause fort!

Seite „117v“

Ihrer Wohlgeb. der Frau Doctorin Assing.