DE | EN

Brief von Amalia Schoppe an Rosa Maria Assing

[Hamburg], September 1817
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 230 Schoppe Amalia, Bl. 99 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalia Schoppe
Empfänger/-in
Rosa Maria Assing
Datierung
nach dem 3. September 1817
Absendeort
Hamburg
Empfangsort
Hamburg
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 160 mm; Höhe: 195 mm
Foliierung
Foliierung mit Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Paweł Zarychta; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Erstdruck: Thomsen, S. 147.

Seite „99r“

Assing
99


Theure beste Rosa!

Nicht aus Unachtsamkeit gegen Deine Wünsche blieb ich den Nachmit-
tag weg, sondern weil ich gar zu erschöpft war – dies dauerte noch
gestern fort, denn da ich der Redlichkeit gemäß S. meinen
unabänderlichen Entschluß, ihn zu verlassen, ankündigte, spielte
er die schreklichsten und ergreifendsten Scenen und will mich
durch Bitten und Betheuerungen fesseln, da aber mein Vorsatz
nicht durch augenblikliche Leidenschaftlichkeit entstand, sondern
die Frucht der Ueberlegung und Erwägung meines ganzen
Heils und des des theuren Kindes ist, blieb ich unerschüt-
terlich und verspreche Dir, es zu bleiben. –
Mein Plan, wie und wann? ich S. verlasse – in höchstens
14 Tagen, ist schon vorher ausgemacht gewesen, und ich hoffe daß
er Deinen Beifall hat, da er ein öffentliches Aufsehn ver-
meidet; um diese Zeit nämlich bezieht meine Mutter
ein eignes Haus, und Lucie geht für den ganzen Winter
nach Fehmarn. Unter dem Vorgeben, meine Mutter nicht
ganz allein zu lassen, gehe ich dann zu ihr und lasse
die Welt muthmaßen wie sie will und mag. Den
Winter über machen wir unsre Freunde nach und nach
auf die gänzliche Trennung gefaßt, und werden so ein
plötzliches Aufsehn vermeiden, zumal da fürs Erste an
keine gerichtliche Scheidung gedacht werden wird. –
Ganz so wie ich dachte, Theure, fand ich Trost und
Hülfe bei Euch – das Bewußtsein, Eurer Achtung und Liebe
nicht unwürdig zu sein, gab mir Kraft und Muth, und Eure
liebenden Worte erheben sie noch mehr. Mit Gott den-
ke ich jetzt Alles zu enden und in Gewissensruhe und
Eurer und meines Kindes Liebe glüklich und ruhig zu
werden!

Seite „99v“

Heute lockt mich der schöne Tag ins Freie – ich will mit mei-
nem Kinde den Morgen draußen zubringen; mein Herz be-
darf des Trostes der Natur mehr denn je – das werdet Ihr
fühlen und mir verzeihen daß ich noch heute nicht komme. –
O Geliebte, erhaltet mir Eure Liebe! es ist ja jetzt das
Einzige was mir von so vielen Hoffnungen übrig bleibt! –
Gott mit uns Allen! Eure A. –