DE | EN

Brief von Friederike Brun an Helmina von Chézy

Kopenhagen, 5.–7. Februar 1825
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 39 Brun Friederike, 05.02.1825 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Friederike Brun
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
5.–7. Februar 1825
Absendeort
Kopenhagen
Empfangsort
Wien
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 187 mm; Höhe: 225 mm
Foliierung
Foliierung durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków noch ausstehend.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Pedro Kauffmann Amaral; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „1r“

Friederike Brun
Kopenhagen d 5 Februar 1825
Verehrte Frau:

Nur oft wiederkehrende Unpäßlichkeiten von denen welche ohne bedeü-
tend zu sein unabtreibbar verstimmen; u viele Geschäfte welche die
Vorsteherin eines bedeütenden Hausstandes in der nächstvergange-
nen Jahrszeit umdrängen, haben mich verhindert, Ihr freündschaftli-
ches, u intereßantes Schreiben früher zu beantworten.
Allein in diesem Augenblikcke erhalte ich einen Brief v. Ver
der Wiener Zeitschrift
mit Einlage des Blattes, in welchem Sie
meiner Wahrh. a. Morgentr. u Ida’s Aesth. Entw.
mit so anerken-
nender Güte u feinem BeobbachtungsGeiste gedacht haben. Die ers-
te Schrift lag schon 1814 fertig da: Entstand genau wie die Vorrede
es sagt, u ward auf dringend wiederhohlte Anforderung vieler
Freünde s zum Druck bestimmt: Doch zögerte ich ‒ da ich ihr die
geliebte Tochter zur Gefährtin geben wollte ‒ u damit von
neüem noch mehr, da ich mit mir selbst umspringen konnte nach
Gefallen, bei Ida aber jedes Wort gewogen werden mußte.
Indes überwogen manche Gründe, u gerade diese kleine Schrift hat
mir schon u gerade von den feinsten Lesern, die Liebsten u würdi-
gendsten Worte eingebracht ‒ Liebe Fr. v. Chési außer dem Vers
prechen an eine hohe Verklärte, u an den 80 jährigen Freund
trieb auch der Gedanke „es zu beseitigen daß man etwa nicht
meine einzige Ida für ein Machwerk einer eitlen Mutter
halten sollte
“. Nur wer sie sah (wie Sie) u Geist hatte, sie zu
empfinden, konnte hierüber ins Klare kommen ‒ u so nahm ich

Seite „1v“

mir vor kommen zu laßen waß könnte, u allenfalls das unabwend-
bare bei diesem Wagestücke über mich ergehen zu laßen ‒
Wovon aber bis jezt lauter liebes u Gutes erfolgt ist.
Wir sind ganz zusammengetroffen in der Idee: Ida durch eine
(unabhängige
von äußern Umständen) Übung einer Kunst zu
waffnen, gegen die Zeit wenn Schönheit u Stimme uns verlaßen:
Ida hat gezeichnet von ihrem 9ten Jahre an – und zwar mit sel-
tenem Erfolge, u dies Cabinet in dem ich Ihnen schreibe, ist
mit drei Lebensgroßen Copieen nach Lionardo da Vinci u
Carlo-Dolci geziert, welche der Direcktor der Konigl: Gallerie
die originale gehören, gern in Kupferstechen ließe, wäre die
Unternehmung nicht zu theüer. Auch zu Mahlen begann sie ‒ Allein
dies anhaltende Sitzen ertrug sie nicht ‒ u der himmlische
Gesang (denn die Pantomime wurde doch immer nur selten, als
Sfogo
u Brennpunkt aller Talente geübt) erforderte viel
Übung, u war schwer mit der so lieben Ausübung der Zeichnenden
Künste, als Künstlerin zu vereinen: Im Gesange soll Ida
wirklich noch unglaubliche gewonnen habn ‒ ich würde aber nun,
sie mit einer Art Bangigkeit wiederhören, denn Rossini
herrscht dort wie hier, auf Kosten des Seelengesanges auf
dem sie sanft hinschwebte ‒
D 7ten Febr: Ich ward hier unterbrochen ‒ Sie nennen den edlen v. d. Mals
burg
von dem ich durch manche edle Seele viel gehört mit gleicher Inigkeit
wie diese ‒ aber Sydow gehört nicht in diese Kathegorie. Ja! er war
hier! u ohne mir empfohlen zu sein drängte er sich in mein Haus ‒ mich
jammerte bei unleugbarem Talent, sein immer dürrer werdendes Leben,
da seine Deklamation, wahrlich keinen Gebildeten befriedigen kann, da
solche nicht einmal die Bildung verräth welche er doch besizt.

Seite „2r“

Kaum war er fort so wurde ich sehr vor ihm gewarnt, u zwar von jemand
welcher sich die Finger an ihm verbrannt: Gott gebe ihm Ruhe, u ein
ehrliches Auskommen, denn so gehets nicht mehr.
Ida, verehrte Frau gewinnt im schönen Italien nach u nach an Ge-
sundheit, zumal haben ihr die Bäder v. Ischia wohl gethan ‒ In
meinem nächsten Briefe rede ich Ih v. d. Malsburg u Ihrem thätigen
Andenken. Werde ich dies geliebte Weesen wiedersehn? Wir beide
sind gefeßelt! Senden Sie mir alles waß Sie mir gönnen unter einer
doppelten Addr. erst an mich mit Oblate wohl versiegelt; dann ein zweites
Convolut an Herrn Baron v. Langenau oesterreichischen Geschäftsträ-
ger
in Kopenhagen: so wer dies auf der Staabscanzellei abgege-
ben, wird mir sicher zukommen. Wie sehr bedaure ich, daß Sie von so mancher
Seite leiden, möchte Ihnen Linderung werden ‒ Ach wenn man höher ins Alter
steigt, fallen die goldnen Früchte, vom Lebensbaume immer schwerer
um uns herab ‒ aber wohl uns, er blüht auch wieder, u zwar
eine innre Lebensblüthe dem Jenseits entgegen ‒ hier
wird kein Verlust ersezt den Herz u Seele erlitten!
Dann auch die geliebtesten Kinder, seid können nicht
die Jugendfreünde ersetzen; Sie ko gehören schon
einer andern Zeit an.
Lesen Sie doch ja „Pouqueville Histoire de la règenération de la Grèce
:
Daß ist ein Claßisches Werck! Ich füge diesem Briefe noch einen an den Herrn
Verleger der Wiener Zeitschrift
u zwar offen in den Ihrigen bei da ich
nur unter der Bedingung welche ich im Briefe anführe, das Vergnügen
haben kann an derselben Theil zu nehmen.
Leben Sie wohl
Liebste Frau v. Chési, u erhalten Sie mir die Gütevolle Zunei
gung deren herzliche Aüßerung mich mit dankbarer Rührung
erfüllte.

FrBrun.

Übernehmen Sie Schwesterlich-gütig die Correctur der inliegenden Gedichte.
Die Abschrift ist nicht sehr deütlich aber meine Handschrift noch viel Ärger.
besonders muß die Interpuncktion in No. 3 soignirt werden.

Seite „2v“

An
Frau Helmine von
Chézi
gebohrne v. Klenker
in
fr. Grenz Wien