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Brief von Sidonie von Seefried an Helmina von Chézy

Homburg vor der Höhe, 20. November 1839
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 233 Seefried Sidonie von, 20.11.1839 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Sidonie Baronesse von Seefried
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
20. November 1839
Absendeort
Buttenheim bei Bamberg
Empfangsort
München
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 131 mm; Höhe: 215 mm
Foliierung
Foliierung durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków noch ausstehend.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Betty Brux-Pinkwart; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „1r“

[Karl August Varnhagen]Sidonie von Seefried
an Fr. v. Chézy.
Buttenheim, beÿ Bamberg
20 November 1839.

Liebe, verehrte Freundin!

Keiner Ihrer Briefe und Ihrer Empfohlenen traf mich
in Regensburg; es war daher sehr freundlich, daß
sie beÿ meinem unbegreiflichen Stillschweigen den Glauben
nicht verloren und mir keine Vernachlässigung zutrauten.
Die Briefe erhielt ich erst jetzt. –
Eine lange, sehr
gefährliche Krankheit, es war wie ein geistiger und körperlicher
Marasmus, bewog endlich meinen Vater mich hieher auf
sein Gut zu bringen, schon im vergangenen Frühjahr. Da
ich nur das Klima in Regensburg nicht vertragen kann,
so wurde es hier besser. Ich gebrauchte im Sommer die
Bäder in Brükenau, den Ragozzi in Kissingen
und es
war eine glückliche Zeit für mich wie ich wieder neue
Lebenskraft in mir fühlte und dieser muthlose Zustand
endete. Jetzt bin ich hier um in Bamberg beÿ der
Entbindung meiner Schwester, Gräfin Tauffkirchen; gegen-
wärtig zu seÿn und sie im Wochenbette zu pflegen. –
Einer so ängstlichen Zeit sehe ich also entgegen und die
Ruhe, der Friede des Landlebens thut mir als Vorbereitung
wohl.
Wie geht es aber Ihnen? Ihre Briefe sind nur einzelne
Rosenblätter, mit Ambre-Duft durchwürzt, die mir zufliegen
wie ein Gruß, wie eine Sternschnuppe vom Himmel, aber
ohne Erläuterungen, ohne eine Consistenz, die mir das wie,
wo, wann erklärt. Sind Sie jetzt bleibend in München,

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oder ist Ihre Mission noch mit leichten Flügeln die
poetischen Blumendüfte von Land zu Land zu tragen?
Es kommt eine Zeit, in der man sich doch sehr nach
Ruhe sehnt; mir ist sie schon gekommen; alles was
bequem, häuslich, still, einförmig ist, scheint mir Glück.
Ich bin gar nicht abgestumpft für die Welt, das Neue,
das Interessante; aber müde! Das Ausruhen ist mir Bedürfniß.
Die gute, verehrte Dorothea von Schlegel ruht nun auch aus.

Ein Nekrolog in der allgemeinen Zeitung, den ich in Brükenau
las, konnte nur von Ihnen geschrieben seÿn.
Ein Engel des Lichtes
jetzt, muß Ihnen diese Freundin noch danken wie Sie ihren
eigenthümlichen Karakter aufgefaßt, Ihr ganzes Seÿn erfaßt haben!
Wie ich Ihnen schon früher schrieb, liebe verehrte Freundin, Sie
entziehen der Welt einen großen Reichthum wenn Sie nicht
Erinnerungen, oder Biographien Ihrer Zeitgenossen schreiben.
Sammeln Sie wenigstens schon die geschriebenen Karakteristiken
und geben Sie diese heraus.
Ehe ich noch Ihre Gedichte
kannte, hatte mich die Biographie von Louise Brachmann
entzückt! Daher vielleicht meine Vorliebe für die Erzeugnisse
Ihrer Feder in diesem Genre.
Wie geht es Ihrem Sohn? Ist er auch noch in München?
Ihr Liebling die Schebest, gastirt gegenwärtig in Nürnberg;

leider konnte ich sie noch nicht sehen. –
Möchten Sie diese flüchtigen Zeilen treffen; ich weiß
nicht ob ich die Adresse recht angegeben. Wenn
Sie Herr Daxenberger sehen, danken Sie ihm freundlichst in
meinem Namen für die Gedichte, die er mir durch seinen
Schwager Farenbacher gesendet. Vielleicht grüßen Sie auch die Conrad;
ich höre gar nichts von ihr. Mit größter Hochachtung und Vertrauen
Ihre Sidonie.

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