Brief von Sidonie von Seefried an Helmina von Chézy
Regensburg, 8. April 1838
Seite „1r“
[Karl August Varnhagen]Sidonie von Seefried
an Fr. v. Chézy.
an Fr. v. Chézy.
Regensburg den 8 April
1838.
1838.
von Ihnen trennen, ich hoffte sie noch am Abend zu sehen
und wachte lange in die Nacht hinein; allein vergebens!
Nun weiß ich aber nichts von Ihnen, nicht wann Sie
nach Frankreich gehen, ob diese Reise überhaupt schon bestimmt
ist; schreiben Sie mir daher doch ein Wörtchen, oder lassen
mir durch Frl. Conrad sagen was die nächste Zeit erfordert.
Ich verließ mit gepreßtem Herzen München. Dies ist
die einzige Stadt in Deutschland wo ich gerne lebe, es ist die
einzige, der man keine Stagnation anfühlt und wo das Leben
weniger drückt; hier muß man nur darauf bedacht seÿn den
Geist nicht zu verlieren, anstatt ihn zu gewinnen, doch
man lernt sich am Ende in den Wechseln des Lebens
beschränken auf die Welt; die man in sich trägt.
die einzige Stadt in Deutschland wo ich gerne lebe, es ist die
einzige, der man keine Stagnation anfühlt und wo das Leben
weniger drückt; hier muß man nur darauf bedacht seÿn den
Geist nicht zu verlieren, anstatt ihn zu gewinnen, doch
man lernt sich am Ende in den Wechseln des Lebens
beschränken auf die Welt; die man in sich trägt.
Wollen Sie mir das Gedicht
Orleans noch senden? Ich hoffe Sie hielten es nicht für
Mangel an gutem Willen, daß ich Ihnen abgerathen ihr
dieses Gedicht nicht zuerst zuzustellen. Ich glaubte dies, da
ich denke Ihre Vorstellung beÿ ihr müße zweckmäßiger voran
gehen; wünschen Sie indeß noch die Uibersendung des
Gedichtes, so bin ich zu allem bereit. –
für die Herzoginn von
Orleans noch senden? Ich hoffe Sie hielten es nicht für
Mangel an gutem Willen, daß ich Ihnen abgerathen ihr
dieses Gedicht nicht zuerst zuzustellen. Ich glaubte dies, da
ich denke Ihre Vorstellung beÿ ihr müße zweckmäßiger voran
gehen; wünschen Sie indeß noch die Uibersendung des
Gedichtes, so bin ich zu allem bereit. –
Schenk sah ich noch nicht; er war die ganze Zeit krank;
Henriette Ottenheimer grüßt Sie aus ihrer Klause heraus;
sie ist noch immer die fromme, untadelhafte, elegische Seele,
wie ein Hauch, der leis vergeht – sie verzehrt sich nicht; aber ihre
Henriette Ottenheimer grüßt Sie aus ihrer Klause heraus;
sie ist noch immer die fromme, untadelhafte, elegische Seele,
wie ein Hauch, der leis vergeht – sie verzehrt sich nicht; aber ihre
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Seele hebt sich mehr und mehr und löst sich von dem
irdischen Leben! –
irdischen Leben! –
Zedlitz war vor einigen Tagen hier, kam abends spät,
besuchte nur Schenk, reiste dann wieder weiter, ich weiß
nicht wohin; – es war mir leid ihn nicht kennen zu lernen,
doch sah ich ihn durch einen glücklichen Zufall zweÿ Minuten
am Fenster, wußte nicht, daß es Zedlitz seÿ, dachte mir
aber nach dem Ausdruck der Züge, hier leuchte ein Genius!
Hier erst hörte ich, daß meine Muthmaßung sich bestätigt
und daß ich damals Herr von Maltiz nicht kennen lernte
weil er cloué à sa place dem Einfluß magnetischer Umgebung
sich nicht entziehen konnte. Sie sehen wie leid mir dies
war, weil ich hier noch davon sprach und weil ich überhaupt
im Leben keine Versäumniß leiden mag und was ist eine
grösere, als den Moment vorübergehen zu lassen, indem uns ein
bedeutender Geist entgegentritt, ein Festtag beÿ den vielen
Alltagen des Lebens!
Ich bitte Sie, liebe Frau von Chezy, mir bald ein Wörtchenbesuchte nur Schenk, reiste dann wieder weiter, ich weiß
nicht wohin; – es war mir leid ihn nicht kennen zu lernen,
doch sah ich ihn durch einen glücklichen Zufall zweÿ Minuten
am Fenster, wußte nicht, daß es Zedlitz seÿ, dachte mir
aber nach dem Ausdruck der Züge, hier leuchte ein Genius!
Hier erst hörte ich, daß meine Muthmaßung sich bestätigt
und daß ich damals Herr von Maltiz nicht kennen lernte
weil er cloué à sa place dem Einfluß magnetischer Umgebung
sich nicht entziehen konnte. Sie sehen wie leid mir dies
war, weil ich hier noch davon sprach und weil ich überhaupt
im Leben keine Versäumniß leiden mag und was ist eine
grösere, als den Moment vorübergehen zu lassen, indem uns ein
bedeutender Geist entgegentritt, ein Festtag beÿ den vielen
Alltagen des Lebens!
zu schreiben, Ihren Sohn herzlich zu grüßen, der gewiß
mit seinen Idealen jetzt beschäftigt ist und uns noch
mehrere solche Portraite, wie das der Schebest giebt,
solche
Zauberbilder; denn ich kann diese Züge, die ganze Seele dieser
Züge gar nicht wieder vergessen! Wie schade wenn dieser Zauber der Reinheit
und der Güte je entschwinden sollte auf diesem Gesicht!
Leben Sie wohl.! Ich umarme Sie mit innigster Liebe
Da ich unglücklicher Weise Ihre Wohnung nicht aufgeschrieben habe, auch
die von der Conrad nicht, so muß ich diesen Brief auf gutes Glück in die Welt senden.
die von der Conrad nicht, so muß ich diesen Brief auf gutes Glück in die Welt senden.
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Freÿfrau Helmina von Chezy, geborene
Freÿin von Klenke
in
zu erfragen im Adress-Bureau
oder beÿ dem Mahler Herrn von
Chezy.
oder beÿ dem Mahler Herrn von
Chezy.