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Brief von Helmina von Chézy an Therese Huber

Bad Schandau, 14. Juli 1820
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 47 Chézy Helmina von, Bl. 75-76 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Helmina von Chézy
Empfänger/-in
Therese Huber
Datierung
14. Juli 1820
Absendeort
Bad Schandau
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 125 mm; Höhe: 210 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Jadwiga Kita-Huber; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „75r“

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d. A. H. v. Chézy.
S. 14 J. 1820
Ihre lieben, gutgemeinten, tröstlichen Worte, meine innig verehrte
Frau! wollen doch nicht ohne Antwort bleiben? Wohl in mancher
Rücksicht kommen sie etwas zu spät, die immer frischen
Nadelstiche, die ich bekommen, haben mich wohl zu ziemlich
lauten Klagen gereizt, ich würde mich an dem hellen u
süßem Leitfaden Ihres Schreibens leichter wieder selbst
gefunden haben – allein so mal hatte ich über mich
gewonnen mich ohne Zorn u Bitterkeit mit ihr
zu erklären, u ihr mit derselben Ruhe eine andere,
angenehme Wohnung anzubieten, die sie auch am 12ten dieses
in Frieden bezogen hat.
Mein Gefühl, Verehrte Liebe!
hat sie selbst aufgesucht, zu erregen u zu gewinnen gewußt,
alle ihre Briefe – ich kann sie Ihnen einmahl selbst zeigen – 
überströmten von einer fast vergötternden Zärtlichkeit,
u
es ist meine Schwachheit Liebe zu suchen, um sie in vollem
Maaß wieder zu geben. Darum sucht ich ihr alles zu erleichtern,
u weil sie so sehr über Nahrungssorgen klagt, alles
vorzubereiten, daß sie Ruhe u ein, ob kleines, doch
sichres Brod finde. Als sie ankam – wie hatte ich diesen Tag
ersehnet

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ersehnt – weinte ich vor Freude u Glück. Ihre Launen hielt
ich ihr zu Gute, gab ihnen nach, da ich sie selbst für
gut hielt. Ich habe sie aber durch u durch, fast bis zum
Wahnsinn unwahr gefunden, u so furchtbar thätig im Intri-
guiren, daß ich, die gegen solchen Strom nicht anzuschwimmen
weiß, die entschiedenste Tarnung für nothwendig hielt,
wenn meine Gesundheit nicht unterliegen sollte. Ich
habe ihr Alles gesagt, sie hat auf eine verstockte
Weise geläugnet, ich habe ihr ruhig erklärt ich wüßte
Alles, sie noch unterstützt, damit sie nicht in Verle-
genheit kommt, u sie ziehen lassen.
Auch weiß sie
daß die Verbindung mit der Herausgabe nur noch
bis zum zweiten Hefte dauert. Entweder laß
ich dies ganze Unternehmen eingehn, oder ich gebe es
in einer veränderten Gestalt fort.
Fanny hat einen
zu unruhigen Charakter u zu viel Anmaßungen
um nicht einen so einfach, graden Mann, wie Kretschmar

am Ende ungeduldig zu machen u ihm ihr Geschäft
zu verleiden. An aufrecht halten, Gute! ist bei ihr

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nicht zu denken, sie ist erstlich weit über die Jahre hinaus,
wo man dies bedarf, u besitzt eine Zuversicht des Auftretens
eine Gabe zu gewinnen, | wenn auch nicht zu erhalten |die
jede Sorge um sie überflüssig macht. Dabei legt sie
stark Roth auf, zieht sich sehr blos u jung mit
bunten Farben an, u scheint mir noch von der ganzen
Leidenschaftlichkeit bewegt, die zwischen 25 – 30 Jahren
manche Naturen fast aufreibt, daher ihr oft leidender
Zustand Zustand. Er ist bejammernswerth, aber, o
Gott, wenn sie gutmüthig wäre, könnte man
nicht das Alles mit Liebe mildern u in eine
bessere Bahn hineinlenken?
Ich habe Ihnen nicht geschrieben, verehrte Frau, wie sehr
mich die Schweitzerreise
ergoetzt hat, sie ist jugendlich
lieblich u heiter, u die kleinen keck-niedlichen
Einfälle blitzen wie Vögelchen mit klugen
Augen aus den Gebüschen hervor, es ist
auch viel Leben darin, könnt ich einmahl wieder
in solcher Art schreiben. Seit Anfang November
schon

Seite „76v“

schon habe ich blos Alles umgeschrieben, u der brennende
Herzensschmerz, den ich seither gefühlt, hat mich
zu Allem unfähig gemacht. Sie haben mir nicht
gesagt, ob Sie mein Himmelfarthstaglied
aufgenommen?
Ich hoffe in einigen Tagen zu erfahren ob die Reise
ge-
druckt ist, u wieviel sie austrägt, u will bis dahin
diese Zeilen liegen lassen, im letzten Brief
schrieb mir K. auf einmahl: er würde nicht alles
Mskpt zum I Heft brauchen können. Sollten sie nun erst in das
zweite Heft kommen, so will ich sie mit
Vergnügen ausrechnen lassen, u das Honorar
alsbald an die genannte Adresse senden. Frau von – z –  hat
mir gleichfalls geschrieben, u ich werde ihr mit dem
Honorar antworten. Sie, theure Frau, werde ich
bitten meiner Gärtnerin Iduna einige Liebe zu
zuwenden! Wollen Sie mir nicht eine liebe Erzählung
für das zweite Heft schreiben? Mit Freuden u
Rechtlichkeit sollen Ihre Bedingungen erfüllt
werden. Ach! auch ich kann nicht alles zu Pa-
piere bringen, aber diesen kühle, nun so liebliche
klare [###]