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Friedrich Apollonius von Maltitz

In Ludwig Sterns Katalog „Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin“ nehmen die unterschiedlichen Dokumente im Bestand „Maltitz, Apollonius v.“ über eine Seite ein. Dem heute weitgehend vergessenen Dichter-Diplomaten aus dem deutschbaltischen Zweig der Familie von Maltitz kommt damit eine durchaus bedeutende Stellung in der Sammlung zu. Zwar steht er in Prominenz immer noch weit zurück hinter einer Figur wie dem Fürsten Hermann von Pückler-Muskau, gleichwohl sind die Parallelen zwischen den beiden Repräsentanten aristokratisch-literarischer Positionierung im kulturellen Feld des 19. Jahrhunderts auffällig – bei aller Verschiedenheit im Charakter, durch die Maltitz zuweilen wie ein lyrisch-melancholisches Gegenbild zum prosaisch-abenteuerlichen Pückler erscheinen mag. Weltläufig, weit herumgekommen, gesellschaftlich gewandt und beliebt, aber auch duellerfahren und zuweilen angefeindet wie dieser, beschränkt sich Maltitz in seinen späteren Jahren auf die Pflege von kleinformatigen Poesie-Pflanzungen, die er als zeitweiliger Bewohner des Goethehauses am Frauenplan in Weimar anlegt und dem Zeitgeist trotzend publiziert. In seiner Opposition zum Jungen Deutschland, Vormärz und Realismus erscheint er oft wie aus der Zeit gefallen, zugleich erlaubt ihm dieses Unzeitgemäßsein durchaus auch, aufgeklärt-kosmopolitische Positionen aufrechtzuerhalten, die im Zuge des patriotischen, zunehmend nationalistischen kulturellen Mainstream in Vergessenheit zu geraten drohen. Exemplarisch in dieser Hinsicht ist seine Opposition gegen einen kulturellen Antisemitismus, wie er ihn u.a. auch in einem Roman des ihm ansonsten sehr am Herzen liegenden Zöglings Wilhelm von Chézy ausmacht. Seine literarischen Neigungen schreiben sich von der Lektüre und Verehrung Goethes, Schillers und Jean Pauls, Friedrich von Matthissons und vor allem des seinerseits bereits aus der Zeit gefallenen Christoph August Tiedge her. Mag sein literarischer Eklektizismus ihm auch weitgehende Vergessenheit eingetragen haben, so bildet er doch eine höchst interessante Stimme in der Polyphonie, die uns aus den Briefnetzwerken, in die er eingebunden war, entgegentritt: Seine Kontakte und Begegnungen reichen von Goethe über Heinrich Heine bis zu Leo Tolstoi – um nur einige der kanonischen Namen zu erwähnen. Wichtig für viele seiner Bekanntschaften war die Freundschaft mit Karl August Varnhagen von Ense und Rahel Levin Varnhagen. Seine enge Verbundenheit mit Helmina von Chézy rührt aus beider in Wien verbrachter Zeit her, wohin Maltitz als Diplomat in russischen Diensten nach vorhergehenden Stationen in Berlin und Warschau im Jahr 1826 versetzt wurde. Zahlreiche gemeinsame Bekannte, wie zum Beispiel die Bankiersfamilie Pereira und die Schriftstellerin Adelaide Reinbold, sind das Ergebnis der sich überschneidenden Aufenthalte der Dichterin und des Diplomaten. Seinen Briefen zufolge liebte er Adelaide Reinbold, schreckte aber aus Standesgründen davor zurück, sich dauerhaft an sie zu binden. Charakteristisch für seine widersprüchliche Form persönlicher und literarischer Weltbewältigung ist es, dass er nach seinem Fortgang aus Wien – der Weg nach Weimar führte ihn u.a. über Rio de Janeiro und München – immer wieder darauf zurückkam, diese Entscheidung sowie den frühen Tod Adelaide Reinbolds in seinen Briefen zu beklagen.

Maltitz heiratet am 19. März 1839 in München die Gräfin Clothilde von Bothmer, die zuvor im Haushalt ihrer Schwester und deren Ehemann, dem russischen Dichter Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew, gelebt hatte. Sein Nachlass gelangte wie derjenige des Fürsten Pückler-Muskau, mit dem er auch einen weitläufigen Briefwechsel führte, durch Ludmilla Assing in die Sammlung Varnhagen.

Jörg Paulus

Literatur

Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay:
„Maltitz, Friedrich Apollonius Freiher von“. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 20.
Leipzig 1884, S. 150–152.

Betty Brux-Pinkwart, Jadwiga Kita-Huber und Jörg Paulus:
„Aus dem Briefwechsel zwischen Helmina von Chézy und Friedrich Apollonius von Maltitz“. In: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 56 (2021/22) [im Druck].

Paul Theodor Falck:
„Apollonius Baron Maltitz. Ein vergessener baltischer Dichter“. In: Baltische Monatsschrift 54 (1912), S. 234–244.

Ludwig Stern:
Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin.
Berlin 1911.