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Amalie Struve

Amalie Struve wuchs als illegitimes Kind in Mannheim in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihr Stiefvater Friedrich Dusar, der französischer Abstammung war und zu dem Amalie Struve ein enges Verhältnis hatte, bemühte sich, die Familie mit französischem Sprachunterricht zu finanzieren. An den schwierigen Lebensumständen, die oft auch mit sozialer Ausgrenzung einhergingen, änderte dies allerdings nicht. Jedoch stellte er für Amalie Struve lebensentscheidende Weichen: Zum einen ermöglichte er ihr die Ausbildung in einem privaten Mannheimer Mädchenpensionat, welche sie nach dem Abschluss berechtigte, als Hauslehrerin zu arbeiten. Zum anderen stellte der Vater im Herbst 1845 den Kontakt zu dem Juristen und Publizisten Gustav Struve her, den er um Hilfe bei der Vermittlung seiner Tochter an verschiedene Familien bat. Nur wenige Wochen später heiratete Struve Amalie Dusar in Mannheim. Die Ehe mit dem um 19 Jahre älteren Mann, der sich zunehmend radikaler für eine republikanisch-demokratische Staatsordnung einsetzte, brachte in Amalie Struve ein verstärktes politisches Interesse hervor. Sie unterstützte ihren Mann nicht nur im Hintergrund, sondern nahm aktiv an Versammlungen, Besprechungen und Erhebungen teil. Im September 1848 wurde sie für 205 Tage inhaftiert und avancierte zu einer der bekanntesten Akteurinnen der Freiheitsbewegung in den Jahren 1848/1849. Mit ihren politischen Aktivitäten verband sie auch zunehmend frauenemanzipatorische Gedanken, die eine Gleichstellung der Geschlechter fokussierten. Entsprechend versuchte sie auch besonders Frauen für die revolutionären Ideen zu gewinnen.

In den Wirren der Freiheitsaufstände lernte Amalie Struve in Baden-Baden die Schriftstellerin Helmina von Chézy kennen, die sie bei sich aufnahm. Kurze Zeit später flüchteten Amalie und Gustav Struve zunächst ins Exil nach London. Von dort nahm Amalie Struve erneut Kontakt zu Helmina von Chézy auf, der bis zum Jahr 1852 aufrechterhalten wurde. In ihren Briefen begegnen sich zwei Frauen, die unterschiedlicher politischer Meinung waren, aber Ansätze zur Verbesserung der Situation von Frauen diskutierten und die Liebe zur Literatur teilten. Der um 41 Jahre älteren Helmina von Chézy kam eine Art Mutterrolle zu. Amalie Struve berichtete ihr von den kärglichen Lebensumständen in Großbritannien, wo das Ehepaar Struve nicht Fuß fassen konnte. Dennoch ergaben sich in dieser Zeit Möglichkeiten zu umfangreicheren schriftstellerischen und journalistischen Arbeiten: 1850 erschienen Struves „Erinnerungen aus den badischen Freiheitskämpfen“, die sie den deutschen Frauen widmete. Im Frühjahr 1851 verließ das Ehepaar Struve Großbritannien und emigrierte schließlich in die Vereinigten Staaten. In New York begründete Gustav Struve seine Wochenschrift „Deutscher Zuschauer“ neu. Sie sollte auch zum Publikationsorgan von Amalie Struve werden. Neben assistierenden Arbeiten für ihren Mann veröffentlichte sie hier mehrere Aufsätze über Frauenrechte, Frauenbildung und Frauenliteratur. Auch plante sie gemeinsam mit Helmina von Chézy die Herausgabe eines Frauenalmanachs mit dem Titel „Lucretia“. Begleitet wurden diese journalistischen Aktivitäten von ihren Beobachtungen der frühen Frauenbewegung in Amerika, über die sie der Freundin Helmina von Chézy ebenfalls berichtete. Kontakte zu Aktivistinnen wie Mathilde Franziska Anneke und Johanna Kinkel hatten sich zum Teil schon im Londoner Exil ergeben. Deutlich wurde an diesem Punkt allerdings, dass die alternde Helmina von Chézy den neuen politisch-gesellschaftlichen Tendenzen nicht mehr folgen konnte oder wollte. Die Gleichstellung von Männern und Frauen ging der Schriftstellerin zu weit. „Ich bitte Dich freier zu denken“ (SV Struve Amalie, 20.12.1851, Bl. 1v), war ein letzter Appell an die Freundin in der Schweiz, bevor die Briefserie endet. Für Amalie Struve war die Gleichberechtigung der Geschlechter „ein ewiges Menschenrecht und ein Folgesatz der Freiheit“ (SV Struve Amalie, 13.09.1851, Bl. 2r).

Betty Brux-Pinkwart

Literatur

Marion Freund:
„Struve, Amalie“. In: Neue Deutsche Biographie, Bd. 25.
Berlin 2013, S. 601–602.

Monica Marcello-Müller (Hrsg.):
Frauenrechte sind Menschenrechte. Schriften der Lehrerin, Revolutionärin und Literatin Amalie Struve.
Herbolzheim 2001.

Ansgar Reiß:
Radikalismus und Exil. Gustav Struve und die Demokratie in Deutschland und Amerika.
Stuttgart 2004.