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Brief von Karoline von Woltmann an Karl August Varnhagen von Ense

Berlin, 23. Februar 1839
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 281 Woltmann Karoline von, Bl. 29-30 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Karoline von Woltmann
Empfänger/-in
Karl August Varnhagen von Ense
Datierung
23. Februar 1839
Absendeort
Berlin
Empfangsort
Berlin
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 215 mm; Höhe: 255 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Agnieszka Sowa; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „29r“

29

[Karl August Varnhagen]
Frau von Woltmann.
Berlin, den 23. Februar 1839.

Euer Hochwohlgebohren finden auf dem umliegen-
den Blatt die Stellen über Rahel aus dem Briefe Brink-
manns
. Gewiß wird es mir Freude machen diese leben-
digen Worte des Geistes, und dies Zeugniß der Ver-
ehrung und des Dankes eines ausgezeichneten Mannes
zu besitzen. Mir hat es Freude gemacht, sie Ihnen
mittheilen zu können. Ich habe die oeffentliche Verehrung welche
Sie so glücklich waren für Ihre Freundin nach de-
ren Tode zu vermitteln, immer als eine abgetragene
Schuld gegen sie von Seiten des Schiksals betrachtet,
und werde sie stets so betrachten.

Haben Sie Ihr Packet an Herrn von Brinkmann,

noch

Seite „29v“

noch nicht geschlossen und wollen Sie mir erlauben
Ihnen einige Blätter zum Beischluß zu übergeben? –
Einige habe ich sogleich durch Herrn von Ossan ge-
sandt; aber auf einen Brief der die Hauptsei-
ten, dreißigjahriger Erinnerungen und Betrach-
tungen mächtig anregt, hat die Antwort eigent-
lich kein Ende.

Mit vorzüglicher Hochachtung

K. von Woltmann
Berlin
23. 2/39.

Seite „30r“

30


[Karoline von Woltmann]„Sie sind eigentlich verheirathet geboren“, sagte mir Rahel
ein Mal – Rahel: „es kommt mir immer vor, als wenn Ihre
Frau nur zufällig abwesend wäre, und Sie erwarteten
solche bald nach Hause: so vorsichtig und bescheiden behan-
deln Sie derweile alle übrigen.“

[Karoline von Woltmann]Scherzend sagte sie mir ein ander Mal, wo sie mich nicht
blos begeistert, sondern verzaubert fand von den Rei-
zen der Unzelmann: „Lassen Sie sich nur gehen; Ihre
Frau kommt nicht so bald wieder.“

[Karoline von Woltmann]

[Karoline von Woltmann]Sie, die uns allgemein unsterbliche, war dies für mich
immer. Denn wahrlich unter ihren vielfachen Bewundrern
hatte wohl keiner, ihr so viel zu verdanken, wie ich. War
sie doch von unsrer ersten Bekanntschaft an, die sokra-
tische Hebamme meines Denkvermögens; als sie, gleich
anfangs Mitleid bekam mit meiner bessern Naturanla-
ge, die angefangen hatte durch gutmüthiges Nachgeben
gegen geheiligte Vorurtheile, zu verlahmen und zu ver-
krüppeln. Und blieb sie nicht bis in den Tod meine
treue, wohlthätige zuverlässige Freundin?

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