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Tagebuchnotiz

[Schandau], 3. Juli 1820 [Abschrift] - Fanny Tarnow
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 241 Tarnow Fanny, Bl. 21
Umfang
1 Blatt
Abmessungen
Breite: 950 mm; Höhe: 105 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche und Transkription durch Renata Dampc-Jarosz; Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Betty Brux-Pinkwart; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Erstdruck
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „21r“

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[Karl August Varnhagen]Fanny Tarnow
3. Julius 20

Heute habe ich den ersten Brief von Carlos
empfangen,
er brachte mir ihn selbst. Glücklicher W[eise] ist er
mir völlig gleichgültig, und so kann ich mir seine
Liebe unbesorgt zu Gute kommen laßen. Liebens-
würdiger denn je in einem Verhältniße stehe ich ihm
gegenüber. Meine Jahre geben mir die holde Sensitive
Verschämtheit der Jugend zurück, wie wenn im Herbst die Sonne
die Knospen der Erde noch einmal zum Blühen aufküßt. Auch
auf meine poetische Bildungsgabe wirkt dieser kleine Roman
sehr vortheilhaft, er ist grade wie er seyn soll um mich anzuregen
ohne meine Ruhe zu stöhren. Dieses ewigen Wachens über mich
selbst, dieses schmerzlichen Resignirens auf jeden Freudenschimmer
des Daseyns bin ich müde. – hier kann ich in jeder Hinsicht un-
besorgt seyn.
Auch ohne den Reitz dieses Verhältnißes würde mir der
hiesige Aufenthalt sehr angenehm seyn. Diese

Seite „21v“

Wälder, die Felsenthäler, diese Bäche u Ströme,
die
Stille u Einsamkeit um mich her, die Gutmüthigkeit
u Einf[achhei]t der Bewohner, meine wiederkehrende
Gesundheit, u mit ihr die Fähigkeit zum Fleiße – Ich
bin zufrieden in mir, u still heiter.
[Helmina von Chézy]Abschrift nach Fanny Tarnow
Junius 1820.