Brief von Karoline von Woltmann an Karl August Varnhagen von Ense
Berlin, 9. Juni 1844
Seite „39r“
39
[Karl August Varnhagen]
Karoline von Woltmann.
Berlin, den 9. Juni 1844.
Mit vielem Danke, geehrter Herr, sende
ich Ihnen den ersten Band von Cüstine
rück, den ich mit ungemeinem Interesse
gelesen habe. Der Jammer des Despotis-
mus und das Widernatürliche der russi-
schen Zustände, sind wohl nie so ein-
dringend empfunden und mit so vie-
lem Geist auf ihre Grundbezüge zurück-
geführt als hier. Dies war mir um
so merkwürdiger, da der Verfasser
selbst in solchem Grade das Kind nicht
nur complicirter, sondern corumpir-
ter bürgerlicher Zustände ist daß
der
ich Ihnen den ersten Band von Cüstine
zu-
rück, den ich mit ungemeinem Interesse
gelesen habe. Der Jammer des Despotis-
mus und das Widernatürliche der russi-
schen Zustände, sind wohl nie so ein-
dringend empfunden und mit so vie-
lem Geist auf ihre Grundbezüge zurück-
geführt als hier. Dies war mir um
so merkwürdiger, da der Verfasser
selbst in solchem Grade das Kind nicht
nur complicirter, sondern corumpir-
ter bürgerlicher Zustände ist daß
Seite „39v“
der Gedanke an die natürlichen, welche
eigentlich den Contrast zu den russi-
schen bilden, in diesem Gegensatze nie
bei ihm auftaucht.
eigentlich den Contrast zu den russi-
schen bilden, in diesem Gegensatze nie
bei ihm auftaucht.
Wenn Sie die folgenden Theile wie-
dererhalten, bitte ich Sie sehr darum.
Auch für die Nachricht über die kleine
Schrift Woltmanns sage ich bestens
Dank. Welche Aufsätze sie enthält,
kann ich mir jetzt wohl denken. Ohn-
geachtet ich sie gewiß zu Papier
gebracht
sen, wenigstens in der Einkleidung
dererhalten, bitte ich Sie sehr darum.
Auch für die Nachricht über die kleine
Schrift Woltmanns sage ich bestens
Dank. Welche Aufsätze sie enthält,
kann ich mir jetzt wohl denken. Ohn-
geachtet ich sie gewiß zu Papier
gebracht
, hatte ich sie ganz verges-
sen, wenigstens in der Einkleidung
Seite „40r“
als Schrift. Vom Buchhändler habe ich we-
gen der Briefe noch immer keine Ant-
wort. Ihnen und Allen wollte ich
wünschen, daß Sie ihre liebsten
und besten Anliegen an Herzen richten
mögten, die eine solche reine Erfül-
lungsfreude, ein so durchgängiges
Wohlwollen durchdringt als das Herz
der trefflichen Eda. Eigenthümlich
und herrlich hat sich in ihr dieses
Wohlwollen, seit dem Tode der Mut-
ter,
liche Beziehung verlor ausgebrei-
tet und verklärt.
gen der Briefe noch immer keine Ant-
wort. Ihnen und Allen wollte ich
wünschen, daß Sie ihre liebsten
und besten Anliegen an Herzen richten
mögten, die eine solche reine Erfül-
lungsfreude, ein so durchgängiges
Wohlwollen durchdringt als das Herz
der trefflichen Eda. Eigenthümlich
und herrlich hat sich in ihr dieses
Wohlwollen, seit dem Tode der Mut-
ter,
wo es seine letzte rein persön-
liche Beziehung verlor ausgebrei-
tet und verklärt.
Seite „40v“
Mit dankbarer HochachtungK. v. Woltmann
den 9ten Juni
1844.
1844.