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Brief von Friedrich Apollonius von Maltitz an Helmina von Chézy

Weimar, 2. Juni 1841
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 47 Chézy Helmina von, Bl. 668-669 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Friedrich Apollonius von Maltitz
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
2. Juni 1841
Absendeort
Weimar
Empfangsort
München
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 135 mm; Höhe: 255 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Jörg ; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „668r“

668

[Karl August Varnhagen]Apollonius von Maltitz
an Helmina.
Weimaram 2ten Junius
1841
.

Zuerst meine gnädige Frau
eine leider schon etwas verspätete Ant-
wort auf Ihren ersten gütigen Brief
vom 17ten Mai
, bei welchem sich so
schöne Blüthen der Poesie befanden. Da
die Kaiserin wahrscheinlich nicht nach
Deutschland kommt, so werde ich die ihr
bestimmten herrlichen Strophen durch
Frau v. Krüdeneran Sie gelangen zu
lassen suchen. Das Todtenopfer,
das
Sie Schenk widmen, den ich als einen
edlen Freund beweine, hat mich tief
gerührt – Glücklich dem solche Zeilen
gegeben werden, wie
Das Urbild, nun entschleiert,
Das hier nur Sehnsucht feÿert,
Und dort nur Treue schaut!
Gestern stand ich auf dem
Jakobskirchhof
vor dem Gewölbe, wo
Schillerdrei und zwanzig Jahre ohne
Grabschrift
geschlummert hat, zum
ersten Male war ich dort in meinem
vierzehnten Jahre. In der Nacht vom
11–12 Mai 1805 zerrissen sich hier die
Wolken und der Mond schien auf
Schillers Sarg!#8211;Sein Haus sieht
gebrechlich aus, wie seine sterbliche
Hülle, wenn ich vorübergehe, flüstern

Seite „668v“

sich mir immer die Zeilen aus der Me-
lancholie an Laura zu:
Dieses Moderhaus
Wiegt sich schwankend über mir zum
Sturze
Und in eignem Strahle lösch ich aus! –

Diese Wehmuthsgefühle, wie sehr sie
der Trauer gleichen, sind doch einer der
Reize des Lebens
Ihren zweiten Brief
erhielt ich

gestern. Mein Urtheil über Ehren-
baum
kann nur ein höchst unvollständiges
seÿn; wir unterhielten uns meistnur über
litterarische Gegenstände, wo wir sehr
sÿmpathisirten. Eine feindliche Gesinnung
gegen Sie, meine gütige Frau, kamlb/> nie in ihm zum Vorschein, vielmehr eine
lebhafte Bewunderung Ihres Talents und
ein thätiger Wille Ihnen nützlich zu seÿn.
Somit ist es mir außer Zweifel, daß Sie ihn
verkennen. In irgendeine Polemik
hineingezogen zu werden, habe ich nicht
verdient und werde es bestimmt ablehnen,
möge ein für allemal mein Wort genügen,
daß so weit meine Beobachtungen reichen
konnten, Ehrenbaum der Jude als Freund von Ihnen
gehandelt hat.
Wegen Ihrer französischen Ange-
legenheiten müssen Sie sich an Bourgoing
wenden. Wenn ich nicht irre, geht er
diesen Sommer nach Paris – er ist
ein Ehrenmann und gilt viel. –
Wenn Ehrenbaum nach Berlin

Seite „669r“

nachtheilig für Sie gewirkt wäre dann
die Pension erfolgt oder hätte ereinen
Theil derselben streichen dürfen? Fürsten
geben oder geben gar nicht. Welch’ einen
Weg hätte er zur Königin? Sehen Sie
hierin nicht ein wenig, wie Torquato Tasso?
Nord und West
haben Elsholtz zum

Verfasser, über eine Muse, wie die Ihre,
habe ich nie ein Verdammungsurtheil
ausgesprochen und auch was ich in dieser
Hinsicht einmal mag geäußert haben,
ist Ihnen nicht glücklich wiedergegeben
worden. –
Der Himmel mit Ihnen – ich be-
suche heute Frau von Wolzogen in Jena
Sie betrauert Schillers nun auch
vollendeten Sohn. –
Maltitz.

Eben fällt mir ein, wegen Ihrer
Angelegenheiten an Bourgoing zu
schreiben – ich beschwöre Sie, mit ihm
sich zu berathen.– Mein Brief an
ihn geht morgen ab. –
An Jean Pauls Grabe 27. April 1841,
Nur diesen Stein! nur dieser Rasenboden, –
Ihr seid zu stumm für einen solchen Todten! –

Seite „669v“

A Madame

Madame Chézy,
neé de Klencke
à