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Brief von Therese aus dem Winckel an Helmina von Chézy

Dresden, 8. September 1816
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 279 Winckel Therese aus dem, 08.09.1816 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Therese aus dem Winckel
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
5. September 1816
Absendeort
Dresden
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 111 mm; Höhe: 187 mm
Foliierung
Foliierung durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków noch ausstehend.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Betty Brux-Pinkwart; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „1r“

[Karl August Varnhagen]Therese aus dem Winckel.
Dresden d. 8ten Sept:
1816.

Meine geliebte Helmina!
Ihre Worte über Chodowieckÿ's Bild

rührten und erfreuten mich unbeschreib-
lich, ich danke Ihnen aus voller Seele
für die liebevolle Theilnahme, für die
süsse Innigkeit womit Sie es betrachteten
und belebten. Es ist ein rührender hoher
Seegen in unserer herrlichen Mahlerkunst
dass das, was wir so mit stillem frommen
Gemüth geschaffen, nach so langer Zeit, in
weiter Ferne wieder zu Sinn und Herzen
redet, dass wir jedem Werk einen Theil
unsers bessern Ichs einzuhauchen
vermögen! Was Ihnen, meine holde

Seite „1v“

Helmina, das Bild war, das waren mir
Ihre theueren Zeilen darüber: ein seliger
Anklang aus einer Welt des Findens und
Verstehens. Ich sende jetzt wieder einige
Gemälde nach Berlin zur Ausstellung,
wo ich besonders bei dem einen, der
frommen deutschen Himmelskönigin,

Ihrer, meine Helmina, recht innig gedachte,
weil ich hoffe es wird Sie besonders an-
sprechen! Gott gebe nur dass es eine gehörige
Beleuchtung bekomme. Schreiben Sie mir
doch Ihr Urtheil darüber und über alle;
ich wählte mit Fleiss 4. Stücke in ganz
verschiednen Stÿl, weil es meinem Gefühl
nach erste Pflicht des kopierenden Künst-
lers ist, sich in jeden Stÿl hineinzudenken
und sich zwanglos frei darin zu bewegen
ohne die geringste Eigenthümlichkeit beizu-

Seite „2r“

mischen. Ganz vergessen zu werden, muss
unsers liebstes höchstes Streben seÿn, da wir
doch nur Vermittler zwischen den an eine
Stätte gefesselten Originalen und den fernen
Freunden derselben sind, dass man bei einer
Copie gleich den Namen des Meisters der das
Original schuf ausrufe, ist ihr höchster Triumph.
Darum ist es ächtes Frauenamt in der
Kunst, dies treue Anschmiegen, der männli-
che Genuius kann und darf diese Hingebung
dies Selbstvergessen nicht haben. Ich hätte
gern noch eine heil: Cecilia
nach Carlo Dolce
geschickt, aber sie wurde vorigen Monat ver-
kauft; sagen Sie dies Professor Schumann und
grüssen Sie ihn herzlich von mir, wenn Sie
ihn kennen, er bat mich so um diese Cecilia.
Die Bekanntschaft der lieben Sander war
mir sehr angenehm, sie wurde mir mit
jedem Tage theuerer. Sie bringt Ihnen hier

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Ihre Zeitblüthen wieder mit, meine Helmina

die Ihnen unser Isidorus schickt. Es geht
ihm jetzt in Eisenach selig wohl und er hat
mit Malsburg, Julien und Philippinen so
himmlische Tage gefeiert wie wir sie ihm
immer wünschen.
Gott lob dass er diese kl:
Reise unternahm, sie wird ein heller Stern
in seinem Leben bleiben!
Meine gute Mutter und meine treue liebe
Charlotte grüssen Sie tausendmal und
danken herzlich für Ihr Andenken.

Ihre guten Wünsche für mich, Sie liebe
fromme Seele, gehen in Erfüllung – in
meiner Seele ist es selig still und heiter,
keine irdischen Sonnenstrahlen wurden meinem
Leben gegeben, aber süsses heiliges Sternenlicht
erleuchtet es und die Ahnung einer frohen Mor-
genröthe jenseits! – Ich hoffe immer
noch Sie bald hier zu sehen; Gott seÿ mit
Ihnen, innig umarmt Sie Ihre

Theorose (von Winckel)