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Brief von Caroline von Danckelmann an Helmina von Chézy

Potsdam, 5. September 1854
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 51 Danckelmann Caroline von, 05.09.1854 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Caroline von Danckelmann
Empfänger/-in
Helmina von Chézy
Datierung
5. September 1854
Absendeort
Potsdam
Empfangsort
Genf
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 140 mm; Höhe: 220 mm
Foliierung
Foliierung durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków noch ausstehend.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Betty Brux-Pinkwart; Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „1r“

[Karl August Varnhagen]Caroline von Danckelmann
an Fr. v. Chézy.
Potsdam d. 5ten Sept. 1854.
1854

Verehrte Frau!

Daß ich so spät meinen Dank für Ihre eben so
überraschende als ehrende gütige Mittheilung, Ihnen
verehrte Frau! darbringe, muß Ihre Nachsicht damit ent-
schuldigen, daß ich verreist war; und, da die wenigen
meiner Freunde u Verwandten mit welchen ich correspon-
dire meinen Landaufenthalt kannten, nicht weiter hinter-
lassen hatte, wohin mir Briefe nachgeschickt werden sollten.
Ich fand also erst bei der Heimkehr Ihren gütigen
Brief vor, dessen Inhalt mich nur, in seiner viel zu hohen
Würdigung der bescheidensten Leistungen, beschämen würde,
wenn er mir nicht das schöne Wort brächte, daß Sie, hoch-
verehrte und hochbegabte Frau! unter Prüfungen des
Lebens, Anklang und Trost in meinen einfachen Liedern
gefunden hätten. Gott legt ja seinen Segen oft auf
das geringste, und hat es auch hier gethan – Ihm sei die Ehre

Seite „1v“

und der Preis! –
Gewiß hätte ich mir nie gestattet, mich in die Reihen
der Dichterinnen zu drängen, in welche ich nicht gehöre,
eben so wenig als das Waldvögelchen unter die Nachtigallen.
Herr Dr. Kletke wünschte jedoch zur Vervollständigung
seines Werkes,
in das er einmal Lieder von mir aufge-
nommen hatte, auch meinen Namen, und so trat er zum
erstenmale in die Öffentlichkeit, die ich nach Neigung u.
Verhältnissen gleich sehr scheue.
Ein sehr stilles, einsames Leben hat mich frühe zu Be-
schäftigungen hingeleitet, die mehr Freude als Nutzen
gewähren, u eigentlich dem Pflichtenkreis der Häuslichkeit
fremd bleiben müßten. Der Beruf meines Mannes läßt
mich, aber auf mich allein beschränkt, und, kinderlos, habe
ich auch in dieser Beziehung keinen Wirkungskreis –
übrigens, verehrte Frau! muß ich abermals einen Glanz
von meinem armen Haupte nehmen, den Ihre Phantasie
mir verleiht, den der Jugend! mein Taufschein würde Ihnen
das erste Jahrzehnd unsres Jahrhunderts, u. zwar nicht ein-
mal

Seite „2r“

die spätesten Jahreszahlen derselben aufweisen, also
ist es wohl natürlich, wenn das „Jenseits“ meine Seele
beschäftigt, und ernste Bilder daran vorüberziehen. Mein
Leben ist ein reiches und von Gott vielfach begnadigtes ge-
wesen, aber es wäre kein Menschenleben, wenn es nicht
auch seine schweren Prüfungen, Sorgen und Entbehrungen
gehabt hätte.
Möchte es Ihnen, hochverehrte Frau gefallen, mir durch
die freundlich Hand Ihrer lieben Verwandten, der ich
mich angelegentlich empfehle, näher zu bezeichnen, welche
Art von Liedern, und wann ich sie Ihnen zur Auswahl über-
senden soll, um den Vorzug zu genießen, in Ihre
Sammlung aufgenommen zu werden? vielleicht könnte eine
Buchhändler Gelegenheit dazu benutzt werden? ich bin so
durchaus fremd in allem geschäftlichen Treiben der littera-
rischen Welt, und wünsche auch so ernstlich es zu bleiben,
daß ich mir in allem damit verbundenen, gar nicht zu
helfen weiß. Auch möchte ich, höchstens mit einer Chiffer
meinen unbekannten Namen dabei bezeichnen – es ist ja so un-
endlich gleichgültig für die Welt, wer ein Lied gesungen,
wenn es nur einigen gefallen hat, und was Sie, verehrte

Seite „2v“

Frau! Ihres Schutzes und Wohlgefallens werth halten, und
unter den Flügeln der eignen Lieder sich bergen lassen,
das braucht auch weiter keine Stützen.
Gewiß ist alles sehr beherzigenswerth, was Ihre Erfahrung
und Ihr Geist über das Treiben der jetzigen Frauenwelt
ausspricht – und die bessern Häupter derselben reden und
wirken sicherlich in diesem Sinne. Fromme Stille, zarte
Sitte, demüthige Liebe und erste Pflichttreue sind unsre
Sterne, und erhellen auch den dunkelsten Himmel. In der
Einsamkeit, oder der stillen Welt des Hauses allein
gedeihen wir am Besten, und wen der Genius darüber
hinausführt, geht eine gefährliche Bahn, die oft nur in Wü-
sten u. ins Verderben führt. Die kleinste wirkliche Frauen-
pflicht für des Hauses Wohl, und der Familie Glück ist
ein ernsteres Werk und eine wichtigere Aufgabe, als die
höchste Leistung außer diesem Kreise, für unser Ge-
schlecht; dies ist wenigstens mein Glaube, und der Glauben
soll das Leben bezeugen, sonst ist er ein unfruchtbarer.
Gestatten Sie mir Ihnen die Versicherung herzlichster Verehrung
auszusprechen und Ihnen meine aufrichtigsten guten Wünsche zu
widmen; möchte Gott Ihnen Kraft u. Frieden erhalten, um an seinen Schickun-
gen nicht allzu schwer zu tragen! Ihre ganz ergebenste
Caroline von Danckelman.