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Brief von Amalie von Helvig an Karl August Varnhagen von Ense

Berlin, 11. Mai 1824
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 84 Helvig Amalie von, Bl. 16-18 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Amalie von Helvig
Empfänger/-in
Karl August Varnhagen von Ense
Datierung
11. Mai 1824
Absendeort
Berlin
Empfangsort
Berlin
Umfang
3 Blätter
Abmessungen
Breite: 125 mm; Höhe: 200 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Agnieszka Sowa; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

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Amalia von Helvig an Varnhagen.

Berlin, 11. Mai 1824.

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[Karl August Varnhagen]Amalia von Helvig. Berlin, den 11. Mai 1824.

Gestern Abend hat unsre Bardeleben mir eine
große Freude gemacht, indem sie mir das Blatt
mitgetheilt, welches ich, nachdem ich Abschrift
davon genommen beyfolgend dankbar zurücksende.
Daß man überhaupt gerne gelobt wird, darf
wohl jeder von sich freÿmüthig gestehen, allein
so selten geschieht es daß man es eben gerade
so werde, wie es unsrer eingenthümlichsten Emp-
findung am angemessensten ist, daß Sie, lieber
Herr von Varnhagen, sich schon die lebhaften Aus-
drücke meines Dankes gefallen lassen müssen
die ich noch besser und zierlicher zu setzen
mich bemühen würde, wenn ich nicht hoffte daß
Sie mit den schlichtesten Worten gern zufrie-
den sind. Fast dürfte ich nach Ihrem mir nur
zu schmeichelhaften Urtheil
über meine Helene
dennoch der Hoffnung Raum geben daß die Mühe
die ich mir mit der kleinen Erzählung gab, nicht
verloren ging; denn Sie haben mit so viel Frei-
heit als Wohlwollen dasjenige beÿfällig be-
zeichnet, worauf in der That mein Augenmerk
gerichtet stand – die beÿden neben einander und
durch einander hingehenden Haupt Gedanken einer
möglichst treuen und gefälligen Schilderung alten
fürstlichen Lebens und der einfachen aber bis
zur Vernichtung gesteigerten Wirkung einer in
den innigsten Beziehungen begründeten Leidenschaft

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schwebten mir vor, und wenn der Leser dieses
fühlt und das tragische was eben in diesen
Gegensätzen liegt, so bin ich reich belohnt.
Ohne es für den weniger scharf empfindenden
Leser deutlich auszusprechen, haben Sie doch
sehr richtig den Fehler
angezeigt, dessen ich beÿ
allem Ernst den ich an die Arbeit wandte, doch
nicht gewahr ward, ehe es zu spät geworden;
Er liegt hauptsächlich in dem Umstande begrün-
det daß die ersten 2–3 Bogen, wie ich es Ihnen
gesagt zu haben glaube, bereits im Herbst 1816
geschrieben worden und seitdem unter anderen
Beschäftigungen ruhen mußten. Ich freue mich
doch einigermaßen des Bewusstseÿns daß
ich seitdem ein wenig reifer geworden und
wohl fähiger das Alte, ohne alterthümliche
Sprache zu schildern, die, besonders beÿ diesen
Gegenständen, füglich entbehrt werden kann.
Bin ich einmal in dem Fall das Büchlein
mit einer Gesamt Auflage herauszugeben
die ich im Sinne habe, so sollten jene erste
Bogen ohnfehlbar überarbeitet und mit dem
späteren Theil der Erzählung in bessre Überein-
stimmung gebracht werden. Hätte ich es Ihnen früher
als es gedrukt worden zur freundlichen Beurthei-
lung übergeben, so würde ich diesen Makel mir
erspart haben – allein ich bin kindlich furcht-
sam, nicht für das Publikum, sondern lediglich

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dem Einzelnen gegenüber und zweifelte überdies, ob
wohl ein Mann die Geduld haben möge diese,
recht eigentlich für Frauen geschriebene Dichtung durch-
zulesen. Ich behalte mir vor Ihnen noch unend-
lich mehr zu sagen was mich alles so sehr an
Ihrem Urtheil freut – es wäre ein schlechter
Dank Sie noch zum Lesen von längern Noten
und literarischen Berichten zu zwingen.
Wir hatten alle diese Tage den Plan Ihnen und
Frau von Varnhagen ein Piqunik im Thier-
garten vorzuschlagen. – allein die kalten
Winde haben unsre Pläne leider verweht.
Heute bin ich beÿ der Generalin Boguslawsky
vielleicht giebt uns das Ende der Woche
bessre Tage – morgen Hören Sie wohl die
Musik im Opernhause?
 – 

Mit Dankbarkeit und Hochachtung



Dienstags Vormittag
d. 11. May
Ihre
ergebenste
Amalie vHelvig geborne
Freyin von Imhoff

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