Brief von Karoline von Woltmann an Johannes Schulze
Berlin, 7. Dezember 1841
Seite „17v“
Seite „18r“
18
[Karl August Varnhagen]Frau von Woltmann.
an J. Schulze.
an J. Schulze.
Neulich Abend erwähnte ich einer Bitte an Sie, heute
eröffne ich Ihnen selbe. Sie haben die Anzeige eines
Buches enthalten, das Lebensgesetz,
ist von mir. Ich mag den Namen des Weibes, als
Autor nicht veröffentlichen: was kann er ihm ge-
sellen, als ein Vorurtheil dawider, welches der
Inhalt erst niederschlagen muß, und hoffentlich
wird; denn das Buch ist Werk männlicher Gedan-
ken, männlicher Anstrengung, männlichen Stu-
diums. Jede Erscheinung in der Natur hat ihre
Uebergänge, wodurch sie sich einer benachbar-
ten anschließt, darin übergeht: so die Geschlech-
ter. Dem Geiste, der Anlage wie der Entwi-
ckelung durch Individualität und durch Schicksal
nach
eröffne ich Ihnen selbe. Sie haben die Anzeige eines
Buches enthalten, das Lebensgesetz,
– dieses Buch
ist von mir. Ich mag den Namen des Weibes, als
Autor nicht veröffentlichen: was kann er ihm ge-
sellen, als ein Vorurtheil dawider, welches der
Inhalt erst niederschlagen muß, und hoffentlich
wird; denn das Buch ist Werk männlicher Gedan-
ken, männlicher Anstrengung, männlichen Stu-
diums. Jede Erscheinung in der Natur hat ihre
Uebergänge, wodurch sie sich einer benachbar-
ten anschließt, darin übergeht: so die Geschlech-
ter. Dem Geiste, der Anlage wie der Entwi-
ckelung durch Individualität und durch Schicksal
C. v. Woltmann
Seite „18v“
nach bin ich ein solches Specimen geworden und tra-
ge das Mißgeschick und Freude.
Solange ich von der Philosophie Hegels nichts be-
griff, als daß er die schöpferische Kraft als Le-
benskraft auffaßte, die Vorstellung absoluter
Polarität des Lebens aus der Naturphilosophie
nicht verwarf, mußte ich ein Gegner dieser
Philosophie seyn. Indem aber, mit dem absolu-
ten Begriff, ein intellectuelles Princip darin
aufgenommen wurde, mußte ich aus deren Sau-
lus zu ihrem Paulus werden. Nicht unbe-
dingt diesen absoluten Begriff, das Lebens-
gesetz hatte Hegel nie absolut ausgespro-
chen: daher fehlt seiner Logik die letzte
Klarheit
ge das Mißgeschick und Freude.
Solange ich von der Philosophie Hegels nichts be-
griff, als daß er die schöpferische Kraft als Le-
benskraft auffaßte, die Vorstellung absoluter
Polarität des Lebens aus der Naturphilosophie
nicht verwarf, mußte ich ein Gegner dieser
Philosophie seyn. Indem aber, mit dem absolu-
ten Begriff, ein intellectuelles Princip darin
aufgenommen wurde, mußte ich aus deren Sau-
lus zu ihrem Paulus werden. Nicht unbe-
dingt diesen absoluten Begriff, das Lebens-
gesetz hatte Hegel nie absolut ausgespro-
chen: daher fehlt seiner Logik die letzte
Seite „19r“
19
Wahrheit ist demüthig und kühn zugleich, dieses Ei-
ne, was der hegelschen Philosophie gebrach, es
ist in meinem Buch enthalten. Ich fühle mich frei
von aller Anmaßung, allem Ehrgeiz. Ich hätte
nicht acht Jahre dieser Arbeit vom Morgen bis in
die Nacht leben können, nicht sie vollenden, hätte
mich dabei nicht ein höheres, als ein rein selbsti-
sches Verlangen begeistert. Ich trete auf mit
der Bescheidenheit die mir ziemt. Der einzige
Mensch welchem ich die Arbeit mitgetheilt rief:
das ist’s, was Hegel gemeint hat. Ich mögte
mich damit an die Freunde Hegels schließen;
an Sie verehrter Mann, der sie treu der er-
kannten Wahrheit anhängen, der Sie ein
Seite „19v“
Leben hindurch treu der Jugend Preußens die Grund-
lage der Bildung bewahrt, worauf allein ächt
menschliche Entwickelung wurzeln kann, das Classi-
sche Alterthum.
lage der Bildung bewahrt, worauf allein ächt
menschliche Entwickelung wurzeln kann, das Classi-
sche Alterthum.
Ich wünsche den Druck meines Buches hier fort-
setzen zu lassen. Kosten und Zeit ersparte es
mir. Ich wünschte Sie zum Censor. Davor aber
möchte ich Ihnen Einiges daraus mittheilen; des-
wegen bat ich Sie neulich um Ihren Besuch. Woll-
ten Sie mir dazu eine Stunde schenken? –
Daß Sie im Betreff des Gegenwärtigen zusetzen zu lassen. Kosten und Zeit ersparte es
mir. Ich wünschte Sie zum Censor. Davor aber
möchte ich Ihnen Einiges daraus mittheilen; des-
wegen bat ich Sie neulich um Ihren Besuch. Woll-
ten Sie mir dazu eine Stunde schenken? –
Niemand sprechen werden, darauf nehme ich
Ihren Handschlag.
Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin gü-
tig.
Mit herzlicher Hochachtung
den 7ten December
1841.
1841.