Brief von Helmina von Chézy an Karl August Varnhagen von Ense
Genf, 26. Januar 1854
Seite „284r“
284
[Karl August Varnhagen]
Edler Freund!
Helmina von Chézy, an Varnh.
(diktirt.)
(diktirt.)
Genf, den 26. Januar 1854.
Sie selbst werden empfinden, was Sie an mir gethan; ich
habe keine Worte für meinen Dank. Entschuldigen Sie sich nicht, daß
Sie zu viel gesagt hätten. Sie konnten nicht mehr sagen, als Sie wußten,
denn ich hatte nicht aussprechen wollen, wie schaudervoll, schmerzhaft meine
Lage geworden.
jetzt, mein Weniges mit Umsicht u Entbehrungen zusammengehalten habe.
Unter den Dingen, denen es in Genf fehlt, gehört die Blindenanstalt.
In Lausanne ist eine, kann jedoch bei diesem für mich sehr nachtheiligen Wetter,
da ich zudem noch mit Gicht behaftet, nicht dorthin begeben. Mehreres
erspar ich Ihnen, edler Freund.
habe keine Worte für meinen Dank. Entschuldigen Sie sich nicht, daß
Sie zu viel gesagt hätten. Sie konnten nicht mehr sagen, als Sie wußten,
denn ich hatte nicht aussprechen wollen, wie schaudervoll, schmerzhaft meine
Lage geworden.
Mein einziger Trost ist, daß ich zeitlebens, sogut wie
jetzt, mein Weniges mit Umsicht u Entbehrungen zusammengehalten habe.
Unter den Dingen, denen es in Genf fehlt, gehört die Blindenanstalt.
In Lausanne ist eine, kann jedoch bei diesem für mich sehr nachtheiligen Wetter,
da ich zudem noch mit Gicht behaftet, nicht dorthin begeben. Mehreres
erspar ich Ihnen, edler Freund.
Vor mehreren Jahren hatte ich einen Aufsatz über George Sand ge-
schrieben, in welchem Abschriften & Briefe des seligen Adelbert aus Genf &
Coppet einverleibt sind. Dieser Aufsatz,
G. Sand, ist mir jetzt unzugänglich, weil er in einem unheizbaren Zimmer
unter einer Unmasse von Papieren liegt. Meine Nicht – Nichte hat mir
geflüssentlich meine Briefschachtel & Papiere, die in schönster Ordnung
lagen, unter einander gebracht, auch wahrscheinlich welche entwendet.
Allein sie ist zu unwissend & kann kein Französisch, so daß sie die
Briefe von G. Sand & nicht geraubt hat, & am ersten gün-
stigen Tage werde ich die Packete finden, welche dieselben enthalten,
sowie den Aufsatz über G. Sand, Adalbert, Madame Récanier
u.a. Mehrere competente Freunde, denen ich dann vor mehreren
Jahren den Aufsatz mittheilte, fanden ihn lebenvoll & gelungen.
schrieben, in welchem Abschriften & Briefe des seligen Adelbert aus Genf &
Coppet einverleibt sind. Dieser Aufsatz,
in welchem schöne Briefe von
G. Sand, ist mir jetzt unzugänglich, weil er in einem unheizbaren Zimmer
unter einer Unmasse von Papieren liegt. Meine Nicht – Nichte hat mir
geflüssentlich meine Briefschachtel & Papiere, die in schönster Ordnung
lagen, unter einander gebracht, auch wahrscheinlich welche entwendet.
Allein sie ist zu unwissend & kann kein Französisch, so daß sie die
Briefe von G. Sand & nicht geraubt hat, & am ersten gün-
stigen Tage werde ich die Packete finden, welche dieselben enthalten,
sowie den Aufsatz über G. Sand, Adalbert, Madame Récanier
u.a. Mehrere competente Freunde, denen ich dann vor mehreren
Jahren den Aufsatz mittheilte, fanden ihn lebenvoll & gelungen.
Seite „284v“
Ich würde ihn damals in Druck gegeben haben, wenn nicht ein Ausfall
von Lügenhaftigkeiten in Paris mich nicht in Verlegenheit gesetzt hätte.
Durch den Verlust meines Sohnes Max & den Ausbruch der Revolution
welche mich beide bittere Thränen gekostet und besonders die um
meinen lieben Max, die nie versiegbaren, haben mich ganz
erschüttert. So wie ich das Manuskript finde, welches deutlich auf
Velin geschrieben ist, wenn Sie es erlauben, nebst den gewünschten
Autographen zu kommen lassen. Sie werden mir einen Rath
geben, wo ich es in Druck einschicken kann.
von Lügenhaftigkeiten in Paris mich nicht in Verlegenheit gesetzt hätte.
Durch den Verlust meines Sohnes Max & den Ausbruch der Revolution
,
welche mich beide bittere Thränen gekostet und besonders die um
meinen lieben Max, die nie versiegbaren, haben mich ganz
erschüttert. So wie ich das Manuskript finde, welches deutlich auf
Velin geschrieben ist, wenn Sie es erlauben, nebst den gewünschten
Autographen zu kommen lassen. Sie werden mir einen Rath
geben, wo ich es in Druck einschicken kann.
Seit meinem Unglück habe ich schon dreimal an Meyerbeer geschrieben,
besonders ihn zu einer Wiederaufführung der Eurÿanthe
wegen. Nicht eine Silbe hat er mir geantwortet. Wüßte
ich Jemand, der überhaupt großen Einfluß hätte, würde ich noch
an ihn schreiben. Es herrscht eine eigene Stimmung über mich
an verschiedenen Orten. Ich merke es auch an den Briefen des
Intendanten v. Hülsen, der mir gar nichts über die Vorschläge
über wegen Aufführung der Eurÿanthe antwortet, so wie an den Be-
zeugungen eines Baron v. Röder
auch brachte er mir keine Antwort von dem Briefe, den ich ihm
an Bar. Adelhêid v. Bassewitz mitgegeben hatte. Ich hoffe noch auf
die Königin, die mir viele Jahre hindurch sehr huldig war & ich persön-
lich kenne, so wie die Gräfin
ermag.
besonders ihn zu einer Wiederaufführung der Eurÿanthe
zu be-
wegen. Nicht eine Silbe hat er mir geantwortet. Wüßte
ich Jemand, der überhaupt großen Einfluß hätte, würde ich noch
an ihn schreiben. Es herrscht eine eigene Stimmung über mich
an verschiedenen Orten. Ich merke es auch an den Briefen des
Intendanten v. Hülsen, der mir gar nichts über die Vorschläge
über wegen Aufführung der Eurÿanthe antwortet, so wie an den Be-
zeugungen eines Baron v. Röder
, der mir sonst sehr gewogen war,
auch brachte er mir keine Antwort von dem Briefe, den ich ihm
an Bar. Adelhêid v. Bassewitz mitgegeben hatte. Ich hoffe noch auf
die Königin, die mir viele Jahre hindurch sehr huldig war & ich persön-
lich kenne, so wie die Gräfin
, die vieles über die Königin
ermag.
Die Mißverstände müssen ans Licht gezogen werden. Ich habe nichts began-
gen als Verwundete aller Arten verpflegt.
Mit Segen & Liebe Ihregen als Verwundete aller Arten verpflegt.
alte Freundin
Ihre Helmina von Chezÿ
Seite „285r“
Seite „285v“
Seiner Hoch- und Wohlgeboren
Herrn Varnhagen von Ense
Geheimrath
Berlin.